Malte Søren Lindstrøm:
Mein Leben
Herausgegeben von
Dr. Gerd Harders
Vorwort des Herausgebers
Im Spätsommer 2009 starb meine Mutter, der dieses Buch gewidmet ist. Bei der Durchsicht ihrer Unterlagen fiel mir eine dunkelblaue Ledermappe mit dem eingeprägten Namen ihres Vaters, Gerhard Weigang, in die Hände. Ihr Vater war Rechtsanwalt in Görlitz, Niederschlesien und nach 1945 in Mölln, Lauenburg. In der Mappe fand sich ein notariell versiegelter Umschlag und ein einzelnes Blatt auf dem Briefpapier einer Rechtsanwaltskanzlei in Görlitz, das bestimmte, dass die beiliegenden Blätter bis zum Jahre 1963, mindestens aber bis zum Tode ihres Verfassers unter Verschluss zu halten seien. Der unterzeichnende Notar war vermutlich bereits seit Jahrzehnten tot und das Jahr 1963 seit 46 Jahren verstrichen. Meinem Vater war diese Ledermappe völlig unbekannt, so dass ich ohne Scheu, aber mit großer Neugier und Ehrfurcht das Siegel aufbrach und den Umschlag öffnete.
Ich wusste, dass mein Großvater ein erfolgreicher Rechtsanwalt gewesen war und nach seiner Flucht vor der Roten Armee im südlichen Schleswig-Holstein recht ungebrochen seine Karriere fortgesetzt hatte. Er schloss in den ersten Nachkriegsjahren schnell Freundschaft mit den Gründern der Christlich-Demokratischen Union in der britischen Besatzungszone. Offenbar fühlte er sich allerdings politisch eher dem Bund der Heimatvertriebenen verbunden, der in Norddeutschland bis in die 50er Jahre beachtliche Wahlerfolge erzielen konnte. Seine Freundschaft zu Konrad Adenauer und seine Feindschaft zur Sowjetunion und der damals unter dem Verdacht der Kollaboration mit dieser stehenden, von der britischen Besatzungsmacht aber bevorzugten SPD und vielleicht auch seine katholische Konfession, die in Schleswig-Holstein, das tief protestantisch-hanseatisch geprägt war, als ›römischer Irrglaube‹ galt, machten es ihm leicht, sein Engagement für den BHE zugunsten der Adenauer-CDU umzulenken.
Der ehrgeizige Vorsitzende der Jungen Union im Kreis Herzogtum Lauenburg, Uwe Barschel, selbst ›Flüchtlingskind‹, der als Schüler durch die Organisation einer ausführlichen Rede des letzten deutschen Reichspräsidenten, Oberbefehlshabers der Wehrmacht und zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilten Kriegsverbrechers Karl Dönitz zum ›30. Januar 1933 und seinen Folgen‹ an seinem Geesthachter Gymnasium für einen Skandal, nebst Selbstmord des Schulleiters Rühsen gesorgt hatte, wurde nach eigener Aussage durch Gerhard Weigang nicht nur in seinem Engagement für die ›Heimatvertriebenen‹, sondern auch in seiner Studienwahl der Rechtswissenschaften bestimmt. Uwe Barschels Grabstelle liegt nur wenige Meter von der Weigang’schen Familiengrabstätte in Mölln entfernt. Nach seiner Promotion an der Universität Kiel wurde er Sozius in der Kanzlei von Hans-Michael Moll, der wie Rechtsanwalt Weigang aus Schlesien stammte und ebenfalls einer der katholischen Mitbegründer der schleswig-holsteinischen CDU aus dem Umfeld des BHE war.
Das notarielle Dokument datierte vom 1. November 1923 und trug neben der Unterschrift des Notars diejenige eines gewissen Malte Søren Lindstrøm. Etwa die Hälfte der Blätter in dem versiegelten Umschlag waren auf dem Briefpapier der Rechtsanwaltskanzlei maschinengeschrieben, die andere Hälfte bestand aus mit Tinte handgeschriebenen Seiten. Zuoberst lag eine handgeschriebene Seite folgenden Inhalts:
Malte Søren Lindstrøm.
Mein Leben.
Ich wurde geboren am 15. August 1863 als Untertan seiner Hoheit Christian IX., selig, König von Dänemark in Altona im Herzogtum Holstein, als Sohn des Vikars von St. Michaelis, Karl-Ludwig Lindstrøm, späterem Pfarrer dortselbst.