Berlin - Schweden - Finnland

Vorwort


Zum achtzehnten Geburtstag habe ich meinem Sohn Finn eine dreiwöchige Reise in "sein" Land geschenkt. Nach kurzer Recherche war klar, dass wir weder mit dem Flugzeug noch mit der Fähre, sondern auf dem Landweg nach Helsinki gelangen wollten. Nach kurzer Rücksprache mit meinem Vater stimmte dieser sofort zu, für die Reise sein Wohnmobil zur Verfügung zu stellen. Sowohl ich als auch Finn kannten das Wohnmobil von einigen Urlauben an der deutschen Ostsee. Dankenswerterweise hatte "Opi" bereits beim Kauf des Wohnmobils darauf geachtet ein Automatikmodell zu wählen, so dass auch ich mit meiner Behinderung den Hymer auf Mercedes-Basis fahren konnte. Im Februar 2021 war Finn noch sicher, bis zum Sommer 2022 seinen Führerschein zu haben. Letztlich war der Frühsommer 2022 allerdings für Finn mit der Vorbereitung für seine Gesellenprüfung so voll gepackt, dass ein Termin für die Führerscheinprüfung erst im Hochsommer, nach unserer Reise, möglich sein würde.

Zum ersten Mal seit meiner Hirnblutung 2009 unternehme ich eine echte KFZ-Reise, die mehr ist als ein "Badeurlaub, normal", wie ein LKW-Fahrer, den ich 1987 in der Türkei getroffen habe (s. 1987-Levante), es genannt hätte. Außerdem habe ich zum ersten Mal technisch die Chance eine Reise "live" zu dokumentieren - was dann allerdings doch erst im Nachhinein passiert ist.


Nach Kopenhagen                               nach oben


  1. Tag, Samstag

Sa., 9. Juli 2022, Berlin - Bad Münder


Die erste Etappe führt uns Samstagvormittag, eine Woche nachdem Finn sein Gesellenstück abgegeben hat, von Berlin nach Bad Münder, wo mein Vater wohnt und wo sein Wohnmobil auf uns wartet. Ich hole Finn pünktlich um 10 Uhr ab, nach dem Tanken, Öl- und Reifendruck-Check sind wir kurz vor 11 auf der AVUS Richtung Hannover. Die Autobahn ist fast leer, nur zwischen Hannover und Bad Nenndorf ist schon jetzt - wie immer - ein Stau angekündigt. Wir verlassen die A2 in Lehrte und fahren auf der A7 nach Süden, hinter Hannover fahren wir über den Südschnellweg Richtung Springe und Hameln und erreichen Bad Münder kurz nach Mittag.

Sa., 9. Juli 2022, Bad Münder 3 x Herr Harders


Zuerst müssen wir natürlich Kuchen essen und Kaffee trinken, dann geht es mit Opi zum örtlichen Discounter, um Vorräte zumindest für die ersten Tage der drei Wochen zu kaufen. Die kurze Fahrt nutzt Opi, um uns alle wichtigen Details des Wohnmobils zu erklären. Vom Discounter fahren wir zur Tankstelle, füllen den Dieseltank und kontrollieren den Reifendruck.


Dann geht es endlich daran, unser Gepäck vom Skoda in den Hymer umzuladen. Beim zweiten Aussteigen aus dem Wohnmobil bleibe ich mit der Feststellschraube meiner Sprunggelenkorthese an der Klappleiter des Ausstiegs hängen und reiße die Plastik-Schraube ab. Nach kurzer Begutachtung beschließen wir, dass die Orthese nicht richtig repariert werden kann, aber wir sie im Notfall provisorisch mit Gaffer-Tape fixieren können. Nach diesem kleinen Rückschlag sind das restliche Gepäck und die eben gekauften Vorräte schnell verstaut und schon ist es wieder Zeit, etwas zu Essen. Nach dem Essen  gehen wir früh ins Bett, Finn und ich testen heute bereits unsere Schlafstätten im Wohnmobil. Morgen früh um halb neun wollen Finn und Opi zusammen zum Bäcker fahren.


Tag 2, Sonntag

So., 10. Juli 2022, Bad Münder - Kopenhagen


Das Frühstück ist für neun Uhr angesetzt und wie immer reichhaltig und lecker. Nach dem Frühstück drückt Opi mir einen Umschlag mit der Aufschrift ›Gute Reise‹ in die Hand. Ich frage, ob die örtliche Volksbank einen Automaten mit Geldeinzahlung hat, denn in Schweden und Finnland ist es so unüblich mit Bargeld zu bezahlen, dass ich Opis Geld lieber noch hier auf mein Girokonto und meine Kreditkarte transferieren möchte. Opi schlägt vor, das Geld direkt auf mein Kreditkartenkonto zu überweisen, nachdem ich Opi die Bankverbindung aufgeschrieben habe und das Geld überwiesen ist, besteht er dann aber doch darauf, uns zusätzlich noch 200 € aus dem Umschlag in bar zuzustecken.


Dann fahre ich das Wohnmobil rückwärts auf die Wiese vor dem Haus, um den Wassertank aufzufüllen.

So., 10. Juli 2022, Bad Münder, Kater Berry bereit zur Abreise


Das Gewusele in und um das Wohnmobil nutzt Kater Berry, um sich auf seinen Lieblingsplatz hinter der Windschutzscheibe zu schmuggeln, er ist bei den meisten Reisen von Gisela und Opi dabei und hält das Wohnmobil für sein zweites Zuhause. Etwas beleidigt lässt er sich von Opi heraustragen und wir fahren los, heute direkt zur A2.


Kurz vor meinem alten Zuhause, Langenhagen, geht es auf die A352, die A2 und A7 Richtung Norden diagonal verbindet. Ohne Staus und Behinderung sind wir schnell in Hamburg.

So., 10. Juli 2022, Hamburg


Als der hamburger Hafen und die spektakuläre Köhlbrandbrücke, die von der A7 in den Freihafen führt, in Sicht kommen, meldet der Alarm der Einstiegstreppe, dass die Treppe nicht mehr in Fahrposition ist. Wir fahren von der Autobahn und Finn bringt die Treppe mit einem gezielten Tritt zurück in Position, das Piepen hört auf.


Zurück auf der Autobahn fahren wir in den Tunnel, der die Elbe unterquert.


Die Playliste, die ich für die Reise zusammengestellt habe, heißt ›Wenn da Brücken sind‹ und das scheint das Motto des heutigen Tages zu sein. 100 km hinter dem Elbtunnel steigt die Autobahn vor Rendsburg aus der flachen Landschaft zur Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal auf. Finn ist beeindruckt von der Höhe der Brücke und macht Photos und ich sage, »das ist noch gar nichts«, weil heute noch die Brücke über den Großen Belt auf uns wartet.

So., 10. Juli 2022, Nord-Ostsee-Kanal


Außer den sowieso allgegenwärtigen Windrädern wird im Norden von Schleswig-Holstein auf jedem Stückchen Acker und Wiese, das landwirtschaftlich nicht sinnvoll genutzt werden kann, Solarstrom produziert. Die langjährige grüne Regierungsbeteiligung ist offensichtlich.

Üblicherweise füllen deutsche Kraftfahrer vor der dänischen Grenze noch einmal ihre Treibstofftanks auf. Im Sommer 2022 sind Benzin und Diesel in Deutschland so teuer, dass sogar skandinavische  Preise daneben billig wirken, Wir fahren also nicht vor der Grenze an eine Autobahnraststätte. Hinter Flensburg passieren wir die deutsch-dänische Grenze, kurz darauf stoppen wir an einem Rasthof, für einen kleinen Imbiss.

So., 10. Juli 2022, Dänemark, Körri Pølse


Bei Kolding biegen wir auf die Autobahn nach Kopenhagen ein. Nach 100 km in der hügeligen grünen Landschafts Fünens kommt nach einer langegezogenen Kurve hinter den Hügeln eine gewaltige Brückenkonstruktion in Sicht, wir fahren einige Kilometer auf der flachen Westbrücke, auf einer kleinen Insel beginnt die steile westliche Rampe der Storebæltsbroen, die seit dem Ende der 1990er Jahre das dänische Festland mit der Insel Sjæland und der Hauptstadt Kopenhagen verbindet. Allein die Hängebrücke auf der östlichen Hälfte ist über anderthalb Kilometer lang und hat eine Durchfahrtshöhe von 70 Metern.

So., 10. Juli 2022, Storebaeltsbroen, westliche Auffahrt

So. 10. Juli 2022, Storebaeltsbroen, Mittelstück


Das Wohnmobil schwankt unter den seitlich auftreffenden Windböen und ich fühle mich nicht so richtig behaglich mit den 70 Meter Luft unter uns. Zumindest zwingt mich das Schaukeln und das dadurch ausgelöste Pendeln der 3,5 Tonnen Mercedes-Benz, mich auf die Straße vor uns zu konzentrieren und gibt meiner Höhenangst keinen Raum, sich auszudehnen. Auf dem Scheitelpunkt der Brücke muss ich auf die linke Fahrspur wechseln, um ein paar LKW zu überholen. Ohne den direkten Blick auf das Wasser neben und unter mir, entspanne ich mich und nach wenigen Minuten sind wir an der Mautstelle an der östlichen Brückenbasis.


Wir zahlen die Maut von etwa 35 € und setzen unsere Reise auf der Insel Sjælland fort. Zügig bringt uns die Autobahn Richtung Kopenhagen voran, trotzdem ist es inzwischen schon viel später als geplant. Die Rezeption des Campingplatzes südlich der Hauptstadt schließt um 21 Uhr, laut Internet gibt es aber einen Spät-Check-In, der noch dazu besonders preiswert ist. Wir fahren bereits auf der Autobahn durch die Vororte von Kopenhagen, Finn setzt den Campingplatz als Ziel in Google-Maps und wir lassen uns entspannt von Finns Smartphone durch Kopenhagen navigieren. Kurz vor dem Ziel zeigt eine orangene Warnlampe im Cockpit, dass unser Diesel sich dem Ende nähert. Mangels Erfahrung wissen wir nicht, wie lange man in diesem Reservemodus noch fahren kann. Bei anderen Fahrzeugen sind mindestens ca. 30 km üblich. Opi sagte gestern, dass man mit einer Tankfüllung 600 bis 650 km schafft, als wir die Autobahn verlassen stehen 640 Tageskilometer auf dem Tacho. Trotzdem erreichen wir den Campingplatz aus eigener Kraft. Die Rezeption und der kleine Laden nebenan sind allerdings schon geschlossen. Es ist 22:01 Uhr. Den versprochenen Spät-Check-In finden wir nicht. Der Parkplatz hinter der Rezeption ist mit einer Schranke verschlossen. Finn macht sich zu Fuß auf die Suche nach irgendeiner Möglichkeit, zumindest auf den Parkplatz zu kommen, findet jedoch nichts. Ich sehe mir inzwischen die nähere Umgebung auf Google-Maps an. Als Finn zurück ist, schlage ich vor, noch einige Kilometer weiter südlich Richtung Meer zu fahren und irgendwo dort auf einem Parkplatz zu übernachten. Wir landen allerdings nicht in der erhofften touristischen Gegend, sondern in einer bürgerlichen Wohnsiedlung. Während das orangene Lämpchen ständig vor einem abrupten Motorstillstand mangels Diesel warnt. Schließlich fahre ich das Wohnmobil in einen breiten Feldweg zwischen einer Grundschule und abgeernteten Äckern. Wir parken, stellen den Motor ab und sind für heute angekommen. Ich notiere Uhrzeit und Kilometerstand in dem vorbereiteten Excel-Reisetagebuch: 644 km in gut 11 Stunden, das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von unter 60 km/h, größtenteils auf Autobahnen, was auch erklärt, warum wir überhaupt mit einer Tankfüllung bis hierher gekommen sind. Wegen der geringen Geschwindigkeit haben wir deutlich weniger Diesel verbraucht, als erwartet.

So. 10. Juli 2022, südlich von Kopenhagen, auf dem Weg zum Stellplatz


Wir sind beide nicht hungrig und beschließen, dass das Abendessen heute ausfällt. Ich mache mir eine Dose Bier auf und rauche draußen eine meiner letzten Zigaretten. Finn telefoniert währenddessen mit seiner Freundin in Berlin. Trotz des unorthodoxen Stellplatzes und dem nahegelegen Flughafen von Kopenhagen verbringen wir eine ruhige Nacht. Die Grundschule nebenan ist zum Glück bereits wegen der Sommerferien geschlossen, so dass wir auch nicht früh morgens von spielenden Kindern geweckt werden.


Schweden (1)                          nach oben


Tag 3, Montag

Mo, 11. Juli 2022 - Kopenhagen - Eksjö


Wir wachen beide entspannt um 8 Uhr auf. Da wir sowieso zuerst eine Tankstelle finden müssen, brechen wir ohne Frühstück oder Kaffee sofort auf, fahren zurück in den kleinen Vorort von Kopenhagen und lassen uns von Google-Maps zur nächsten Tankstelle führen. Finn tankt das Womo voll, Diesel ist mit umgerechnet 2,04€ hier tatsächlich billiger als in Deutschland. Neben der Tankstelle ist ein großer Supermarkt. Wir stellen den Hymer auf dem Parkplatz ab und Finn kauft in der Tankstelle zwei Latte Machiato und zwei mit süßem Quark gefüllte Croissants. Die Sonne scheint, fürs erste sind alle Probleme gelöst und wir genießen unser kleines Frühstück. Jedesmal, wenn wir gestern ein Schlagloch getroffen haben, ruckelte sich die Ausstiegstreppe etwas tiefer, bis irgendwann der Treppen-Alarm ansprang. Nach unserem Frühstück begutachten wir die Alarmvorrichtung und kleben ein paar Münzen auf die oberste Stufe, wo der Alarmsensor die Entfernung zur Treppe misst. Einige Zeit funktioniert das ganz gut.

Mo, 11. Juli 2022 - Kopenhagen, Treppenreparatur


Bei herrlichem Sommerwetter fahren wir in Kopenhagen zurück auf die Autobahn Richtung Øresundsbron und Malmö. Zunächst geht es in einem Tunnel unter der Innenstadt von Kopenhagen hinweg. Direkt nach dem Tunnel beginnt die zunächst flache, wenige Meter über der Ostsee entlangführende Brücke, die Dänemark und Schweden verbindet. Nach dem flachen Teilstück passieren wir die Grenze zu Schweden, dann steigt die Fahrbahn steil zur längsten Schrägseilbrücke der Welt an. Heute ist es zum Glück weniger windig als gestern, trotzdem muss ich meine Höhenangst durch den konzentrierten Blick auf die Fahrbahn kontrollieren. Die Aussicht vom Scheitelpunkt der Brücke auf das schwedische Festland vor uns ist grandios.

Mo., 11. Juli 2022, Øresundsbron, Blick auf Malmö


Tatsächlich ist das erste, was wir von Schweden sehen, ein riesiger Ikea-Markt direkt neben der Mautstelle, die wir dank Internet-Ticket auf einer Schnellspur ohne Stopp passieren.

Finn navigiert uns sicher durch die unübersichtliche Stadtautobahn von Malmö und ehe wir es richtig gemerkt haben, sind wir schon wieder auf der E6 Richtung Norden nach Helsingborg. Links ist hinter dem glitzernden Ørsesund das dänische Sjæland zu sehen. Bei Helsingborg verlassen wir die E6 Richtung Norwegen und schwenken auf die E4 Richtung Nordschweden ein.

Mo., 11. Juli 2022, Malmö, Ikea


Am frühen Nachmittag machen wir eine Pause auf einer Autobahnraststätte in Småland, Finn versucht, mir einen Kaffee aus der Raststätte zu organisieren, ich versuche währendessen, unseren Campingplatz in der Astrid-Lindgren-Värlt in Vimmerby zu buchen oder wenigstens zu reservieren. Kaffee gibt es hier keinen und der Campingplatz ist bis Anfang August ausgebucht. Als Finn zurück ist, berichte ich, dass wir unsere Pläne ändern müssen. Ich finde einen Campingplatz an einem See eine Landstraßenstunde vor Vimmerby, der vielversprechend aussieht. Ich rufe den Campingplatz in Eksjö an und reserviere einen Platz für uns. Der freundliche Mann am Telefon empfiehlt, wir sollten vor 18 Uhr dort sein, weil sie die reservierten Plätze danach an Spätankommer freigeben. Wir machen uns also bald wieder auf den Weg, um das Zeitfenster nicht zu verpassen, zumal wir die letzten 100 km auf der Landstraße zurücklegen werden und die Autobahnhetzerei damit endlich ein Ende hat. Wir beide denken beim Namen des Ortes an Finns Schwester Eske. Diese merkt das dann abends per WhatsApp an.

Mo., 11. Juli 2022, 2+1 in Småland


Bei Nederby verlassen wir die E4 und biegen auf die ruhige Landstraße 127 Richtung Vetlanda ein. Die meisten Landstraßen in Schweden sind - wie in Frankreich - dreispurig ausgebaut, hier ist jedoch für jeweils etwa ein Dutzend Kilometer die mittlere Spur mit einer Leitplanke abgesperrt und damit nur für eine Fahrtrichtung befahrbar (genannt 2+1). Das entspannt das Fahren ungemein. Entweder kann man langsamere Fahrzeuge überholen - oder eben nicht. Auf den einspurigen Abschnitten fahren alle ruhig hintereinander her, niemand hat es übertrieben eilig oder drängelt. Schon auf den schwedischen Autobahnen ist mir die ruhige, entspannte Fahrweise fast aller Fahrerinnen und Fahrer aufgefallen. Wegen des fast durchgehenden Tempolimits von 110 km/h ist der Unterschied zwischen den schnellsten und den langsamsten so gering, dass man sich gefahrlos und stessfrei mit der zu Fahrzeug und Strecke passenden Geschwindigkeit dahin treiben lassen kann.


Die Landstraße führt durch grüne Wiesen und sanfte Hügel, die kleinen Bauernhöfe mit ihren roten Häusern und Scheunen sind fast zu kitschig, um wahr zu sein. Wir beide erwarten jederzeit, dass irgendwo ein Mädchen mit Sommersprossen und roten Zöpfen auf einem weißen Pferd auftaucht. Nachmittags fängt es an, ein bisschen zu regnen.

Mo., 11. Juli 2022, Småland


Um kurz vor 17 Uhr biegen wir nach rechts auf die Landstraße 40 ein, wenige Minuten später sind wir in Eksjö, das letzte Stück zum Campingplatz lassen wir uns wieder von Google-Maps führen. Pünktlich um 17.30 parken wir vor der Rezeption und lassen uns erklären, wo unser Platz ist und wie wir da am besten hinfahren.

Mo., 11. Juli 2022, Camping Eksjö


Am Platz angekommen packt Finn Campingstisch und -stühle aus und stellt alles neben das Wohnmobil, ich öffne den Rotwein, den wir in Bad Münder gekauft haben, setze mich, trinke Wein und rauche die letzten Zigaretten dieser Reise. Später machen wir uns Bratwürste in der Pfanne. Während Finn im Waschhaus duschen ist, notiere ich Ankunftszeit, -kilometerstand und die Ereignisse des Tages in unserem Logbuch. Es kommt uns vor, als wäre es noch früh, aber trotz Tageslicht ist es sicherlich schon 22 Uhr als wir ins Bett gehen.


Tag 4, Dienstag

Di., 12. Juli 2022, Eksjö - Västerås


Wieder wachen wir beide früh auf und beschließen, ohne richtiges Frühstück erstmal in die Astrid-Lindgren-Värlt zu fahren. Nach dem Auschecken vom Campingplatz halten wir dann aber doch noch kurz am Campingplatz-Bistro und ich trinke einen Kaffee auf der Terrasse. Um 11 Uhr sind wir unterwegs nach Vimmerby, Finn ist aufgeregt, als wäre er 9 und nicht 19. Nach einer knappen Stunde Fahrt kommen wir am Parkplatz der Astrid-Lindgren-Värlt an. Heute ist es richtig hochsommerlich heiß. Wir parken das Womo, ich ziehe meine Orthese an, die Finn mit Gaffer-Tape fest umwickelt, und los geht's zu Pipi Langstrumpf. Liebevoll ist das ländliche Schweden der 40er Jahre nachgebaut, inklusive entsprechender Autos, Tankstellen und Details in den Häusern. Der Park ist thematisch nach den Geschichten von Astrid Lindgren aufgeteilt, Finn will zuerst zur Villa Kunterbunt auf dem Hügel, der ›kleine kleine Stadt‹ heißt. Auf dem Weg dorthin kommen wir an Andenkenständen, Spielzeug- und Buchläden und Restaurants vorbei. Kurz vor der Villa Kunterbunt mache ich Pause in einem Café mit Selbstbedienung, Finn geht weiter und will gleich zurückkommen.

Di. 12. Juli 2022, Vimmerby, Astrid-Lindgren-Värlt, ›Villa Kunterbunt‹


Tatsächlich ist er sehr schnell wieder da, denn die Villa Kunterbunt dient als Kulisse für eine Kindertheater-Aufführung und darf nur von außen und von weitem betrachtet werden. Wir machen uns auf den Weg zur zweiten wichtigen Attraktion für Finn, den ›nicht-den-Boden-berühren-Parcours‹, das war schon vor zehn Jahren sein liebstes Spiel. Auf dem Weg kaufe ich einen Kaffee ›to go‹, ich setze mich auf einen Fels neben dem Parcours und gucke Finn beim Klettern zu.


Den Plan, hier noch Mittag zu essen, streichen wir angesichts der Warteschlange vor dem Restaurant. Wir kaufen noch Pipi-Langstrumpf-Postkarten und Briefmarken, dann wandern wir zurück zum Hymer. Dort muss ich zuerst schnell die Orthese loswerden, die dank des Gaffer-Tapes zwar sehr stabil den Knöchel gehalten hat, aber auch sehr eng und fest ist. Um halb drei sind wir wieder unterwegs nach Norden. Unser Tagesziel für heute ist ein Campingplatz in Västerås am Mälarsee, westlich von Stockholm. Wir fahren auf der Landstraße 23 gemütlich bis Linköping, wo wir anderthalb Stunden später wieder auf die Autobahn E4 auffahren. Nach einer knappen Stunde verlassen wir die Autobahn in Norrköping und fahren auf dem mal drei-, mal vierspurig ausgebauten Riksväg 55 weiter Richtung Norden. Die Landschaft hat sich deutlich verändert. Die Wiesen sind schütteren Birken- und Kiefernwäldern gewichen, die Bäume stehen meist zwischen rund geschliffenen Felsbrocken, die die Gletscher der Eiszeit im Norden von den Bergen abgehobelt und hier zurückgelassen haben. Gelegentlich sehen wir auch steile Felsabbrüche.

Di. 12. Juli 2022, Mittelschweden


Bei Katrineholm, vor dem Kreisverkehr, an dem der  Riksväg 57 abzweigt, halte ich kurz, um auf die Karte zu gucken, mich zu orientieren und die verbleibende Strecke einzuschätzen. 100 Meter Luftlinie entfernt sehe ich die sonnige Terrasse eines Burger King, um tatsächlich mit dem Hymer dahin zu kommen, benötigen wir aber über 10 Minuten, weil wir uns durch die Baustellen eines entstehenden Gewerbegebiets winden müssen. Schließlich sitzen wir mit Kaffee und Eis in der Sonne und machen unsere wohlverdiente Pause. Kurz nachdem wir wieder unterwegs sind führt die Straße zum ersten Mal am riesigen Mälarensee entlang, bzw. auf Brücken über seine Buchten. Der See ist doppelt so groß wie der Bodensee und war bis zur Anhebung Skandinaviens nach der Eiszeit ein Teil der Ostsee. Kurz vor 7 Uhr kommen wir am Campingplatz an, erledigen die Formalitäten und suchen uns einen guten Platz. Gegenüber liegt ein Sportflugplatz und hinter den Bäumen ist das Ufer des Mälarensees. Neben der Rezeption gibt es ein kleines Restaurant, wo wir heute Abend essen wollen. Vorher muss aber Logbuch geschrieben werden und ich will Duschen gehen und mich rasieren. Der Campingplatz ist modern angelegt und die Waschhäuser sind in hervorragendem Zustand, nur die Türöffnung per RFID-Chip funktioniert etwas hakelig.

Di., 12. Juli 2022, Västerås, Campingplatz


Nachdem unser Platz eingerichtet ist und wir vom Duschen zurück sind, gehen wir zurück zur Rezeption und suchen uns einen Platz auf der Terrasse des Restaurants. Es ist kurz vor 22 Uhr, aber immer noch warm und hell. Wir essen Pizza und ich gönne mir ein Glas Rosé. Zurück beim Womo gibt es für jeden noch ein Glas Ouzo. Ich habe meinen ersten rauchfreien Tag gut überstanden. Um Mitternacht sind wir im Bett.


Tag 5, Mittwoch

Mi., 13. Juli 2022, Västerås - Sörfjärden


Zum ersten Mal frühstücken wir ausgiebig im Wohnmobil: aufgebackene Brötchen, Ei, Käse und Schinken - und natürlich Nutella. Für heute stehen wieder rd. 350 km im Reiseplan und wir wollen einen ›wilden‹ Stellplatz am Meer oder im Wald finden, so dass wir trotzdem um 10 Uhr ausgecheckt und wieder unterwegs sind. Erstmal geht's auf dem Riksväg 56 Richtung Norden. Mittags treffen wir in Gävle auf die E4, vor der Kreuzung mit der E4 tanken wir nochmals voll. Der Kartenautomat an der Zapfsäule verweigert meine Kreditkarte, obwohl das Geld, das Opi Samstag überwiesen hat, längst auf dem Konto sein müsste. Ich drücke Finn meine andere Karte in die Hand und wir können den Tank mit 58 Litern füllen.


So angenehm das vollautomatisierte Schweden auch sein mag, dass es keine Tankstellen mit Personal und den kleinen Läden gibt, in denen man alles notwendige und unnötige kaufen kann, ist doch enttäuschend - eigentlich wollte ich für Finn und mich Volvo- oder Scania-Mützen in gelb und rot (in der ersten Enterprise-Staffel die Farben für Command- und Operations-Offiziere) kaufen, aber es gibt weit und breit nur Selbstbedienungstankstellen.

Mi., 13. Juli 2022, Gävleborgs län


Die Auffahrt zur E4 ignorieren wir und fahren geradeaus weiter nach Gävle. Von hier aus wollen wir so dicht wie möglich an der Küste nach Norden, in der Hoffnung irgendwo einen Parkplatz oder einen Feldweg zu finden, auf dem wir ›wild‹ übernachten können. Was wir finden sind allerdings nur Ferienhaussiedlungen und die schlimmste ›Wellblech‹-Piste, die ich seit Algerien unter den Rädern hatte. Auf kleinsten Pisten kämpfen wir uns zurück zu einer richtigen Straße. Dieser folgen wir erleichtert bis zur Auffahrt auf die E4 bei einem kleinen Dorf. Bei Hudiksvall verlassen wir die E4 erneut und fahren auf einer kleinen Landstraße wieder Richtung Küste. Ich habe auf der Karte einen kleinen Ort am Ende einer großen Landzunge gefunden, der aussieht, als gäbe es hier einen ruhigen Parkplatz mit Meerblick. Als wir in Höllick ankommen entpuppt es sich aber als Steinbruch mit Industriehafen. Wir stoppen kurz an einer Bushaltestelle und ich muss eine Runde um das Wohnmobil gehen, als würde ich eine Zigarette rauchen. Erstaunlicherweise hilft das Ritual auch ohne Nikotin.


Ich gucke nochmals lange auf die Karte und bespreche mit Finn, den ursprünglich geplanten Campingplatz in Sörfjärden anzusteuern. Wir fahren zurück bis Rogsta, wo wir nach Norden zur E4 abbiegen. Nach sieben anstrengenden Stunden parken wir das Womo auf dem Campingplatz. Finn geht Duschen und ich versuche über das schlechte WLAN des Campingplatzes das Online-Banking meines Kreditkartenkontos zu erreichen. Opis Geld ist nicht da.

Mi., 13. Juli 2022, Sörfjärden, Camping


Heute essen wir Maultaschen mit Rührei aus unseren Vorräten, für mich gibt es noch den Rest des Rotweins aus Bad Münder. Als wir essen, ist es kurz vor 22 Uhr und immer noch taghell.

Mi., 13. Juli 2022, Sörfjärden, Campingplatz


Wir essen unsere Maultaschen und spielen hinterher ein paar Runden Rummy Cup. Ich bespreche mit Finn unsere Finanzsituation, morgen wollen wir das Kreditkartenkonto erneut prüfen und dann weiter entscheiden. Wir haben heute schon - am fünften von 20 Tagen - Diesel für 140 € mit der Kreditkarte, die eigentlich als Notreserve vorgesehen war, getankt und den Campingplatz bezahlt. Ich versuche, mir meine Beunruhigung über das noch nicht angekommene Geld von Opi nicht anmerken zu lassen. Ob Finn das schluckt, wie den später angebotenen Ouzo, weiß ich nicht. Es ist immer noch fast hell draußen, als wir kurz vor Mitternacht ins Bett gehen. Morgen fahren und sehen wir weiter - das Motto, dass mich schon auf meinen Motorradreisen, jeden Tag, egal wie schwierig er war, hat weiter machen lassen.


Tag 6, Donnerstag

Do., 14. Juli 2022, Sörfjärden - Nordmaling


Wir frühstücken wieder ausgiebig im Wohnmobil. Finn schneidet eine der mitgebrachten Melonen auf. Es gibt Frühstückseier und aufgebackene Brötchen mit Käse und Mortadella.

Do., 14. Juli 2022, Sörfjärden, Camping, Luxus-Frühstück


Wir geben unsere RFID-Chips für die Waschhäuser zurück und Finn bringt unseren Müll zu den Mülltonnen, dann verlassen wir den Platz auf der kleinen einspurigen Straße zurück Richtung E4. Zunächst führt die E4 ins Landesinnere. Nach einigen Kilometern passieren wir die Grenze zum Västernorrlands län und sind damit wirklich im Norden Schwedens, was sich auch an der Landschaft zeigt - und leider auch am Wetter. Es regnet.

Do., 14. Juli 2022, Sundsvall, Brücke über die Ostseebucht


Kurz nach Mittag in Harnösand tanken wir - wieder mit der Reserve-Kreditkarte - voll und gehen in einem COOP einkaufen, Finn möchte Cornflakes für's Frühstück, für Morgende, an denen wir nicht viel Zeit haben. Auf dem Parkplatz springt der Treppen-Alarm mal wieder an. Wir justieren die Münzen neu, aber Finn, der sich jedesmal um den Alarm kümmern muss, beschließt außerdem einen Spanngurt um die Treppe zu legen und bei geöffneter Tür festzuziehen und dann die Tür zu schließen und so den Gurt in der Tür einzuklemmen. Diese Lösung scheint vielversprechend.


Am frühen Nachmittag halten wir an einer Tankstelle mit Café und Restaurant. Ich trinke einen Kaffee auf der sonnigen Terrasse, hauptsächlich, um eine Zigarettenpause zu imitieren. Ab Husum im Västernorrlands län führt uns die Straße immer wieder an tiefen Buchten der Ostsee und Flussmündungen entlang, es regnet wieder ein bisschen.


Do., 14. Juli 2022, Västernorrlands län


Eine Stunde später passieren wir eine weitere hohe Brücke und nähern uns unserem Tagesziel in Nordmaling.

Do., 14. Juli 2022, Högakustenbron bei Utansjö


Den Campingplatz in Nordmaling hatte ich, wie den in Sörfjärden, schon vor anderthalb Jahren bei der ersten Grobplanung unserer Route ausgewählt. Zum ersten Mal führt uns Google-Maps in die Irre, wo ein Schild zum Camping nach rechts weist, schickt Google uns nach links in eine Einfamilienhaussiedlung. Wir wenden und folgen den Schildern zum Campingplatz. Wir erreichen den Platz schon um kurz vor 18 Uhr und wählen einen Stellplatz nahe der Waschhäuser mit Blick auf die Ostseebucht. Vom Meer trennt uns nur eine feuchte Wiese und der schmale Strand. Es ist warm und sonnig.

Do., 14. Juli 2022, Nordmaling, Camping


In dem Waschhaus in der Nähe unseres Platzes befindet sich auch eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner, die im Preis für den Platz inklusive sind, wir suchen unsere schmutzigen Klamotten zusammen und Finn steckt sie in die Waschmachine. Danach wandern wir an den Strand.

Do., 14. Juli 2022, Nordmaling, Camping


Nach unserem Ausflug setze ich mich für mein obligatorisches Feierabendbier neben das Wohnmobil und rauche keine Zigarette. Wir beschließen heute wieder Bratwürste in der Pfanne zu machen. Während Finn das Essen vorbereitet, sehe ich nach unserer Wäsche und stecke die inzwischen gewaschenen Klamotten in den Trockner. Nach dem Essen ist der Trockner durchgelaufen, aber die Sachen sind nur fast trocken. Finn hängt sie an den Schrankklappen auf, damit sie weiter trocknen können. Wir spielen mal wieder Rummy Cup und trinken jeder noch ein Glas Ouzo. Wie immer ist es noch hell, als wir schlafen gehen.


Tag 7, Freitag

Fr. 15. Juli 2022, Nordmaling - Kängsön


Wir wachen wieder früh auf. Die letzten immer noch feuchten T-Shirts nehme ich beim Zähneputzen nochmals mit zum Trockner, nach zehn Minuten in der korrekten Einstellung sind sie trocken  und können wieder in ihre Schränke einziehen. Ich mache mir einen Kaffee und Finn isst Cornflakes mit Milch. Heute wollen wir zu einem sogenannten Natur-Campingplatz in Kängsön 100 km vor der finnischen Grenze, also einem legalen Stellplatz ohne irgendwelche Einrichtungen. Zur Vorbereitung füllen wir den Frischwassertank auf und leeren alle Abwassertanks und den Mülleimer. Um fünf vor zehn verlassen wir den Campingplatz und fahren Richtung Nordwest zur E4. Eine dreiviertel Stunde später erreichen wir Umeå.

Fr. 15. Juli 2022, Umeå, Brücke über den Fluss Ume


Nach und nach erschließt sich mir auch die Aussprache und Logik der schwedischen Sprache: Das ›Å‹ wird wie ein offenes ›O‹ im Deutschen gesprochen, wie etwa im Deutschen ›Ort‹, zufällig bedeutet das Schwedische Wort ›Å‹ tatsächlich so etwas wie ›Ort‹. ›Umeå‹ ist der Ort, wo der Fluß Ume in die Ostsee fließt. In Piteå, das wir am Nachmittag passieren, mündet der Fluß Pite in's Meer. Ein ›G‹ vor hellem Vokal oder am Ende eines Wortes wird als weiches ›ch‹, wie in ›ich‹, gesprochen. Der Europaväg 4, heißt hier also ›Europawäch 4‹. Außer ›Hey‹ zur Begrüßung und ›Tack‹ sprechen wir aber, zu aller Glück, nie Schwedisch - Englisch ist allgegenwärtig.


In Umeå zweigt die E12 Richtung Nordwesten und Norwegen ab, wir folgen weiter der E4 Richtung Norden und Finnland. In Skelefteå, das wir der Einfachheit halber immer nur Skele-Irgendwas nennen, schaffen wir es, uns in der Innenstadt zu verfahren, weil wir auf der Suche nach einem Supermarkt falsch abbiegen. Am Ende finden wir aber wieder einen CCOOP, in dem wir Nackensteaks für's Abendessen kaufen. Finn versucht erfolglos in der riesigen Auswahl an Ketchup einen Curry-Ketchup zu finden. Hinter Piteå führt die E4 auf langweiliger Route durchs Hinterland des schwedischen Norrbottens län. Am Nachmittag fahre ich von der vierspurigen E4 ab und fahre zu einer Tankstelle, wo wir kurz rasten. Ich drehe zu Fuß eine Runde um das Wohnmobil für eine fiktive Zigarette. Neben uns parkt ein finnischer LKW. Morgen Mittag sind auch wir in Finns Land. Bei Luleå überqueren wir auf einer langen flachen Brücke eine tief eingeschnittene Bucht der Ostsee. Seit Luleå heißt die E4 E4/E10, die E10 führt von hier in den äußersten Norden Schwedens und nach Norwegen. Hinter Raneå zweigt unser Weg auf kleiner Landstraße nach rechts ab. Unser Campingplatz liegt hinter dem kleinen Ort Kängsön auf einer Landzunge zwischen der Ostsee und der Mündung des Flusses Rane. Gleich nebenan ist ein Kanuverleih mit ein paar kleinen Ferienhäusern (›Stugor‹). Es ist ein großer flacher Schotterplatz direkt am Wasser, an der Einfahrt stehen Müllcontainer und ein Dixi-Klo. Wir suchen uns einen schönen Platz weit weg von den drei oder vier anderen Wohnmobilen.

Fr., 15. Juli 2022, Kängsön, Camping


Finn baut Tisch und Stühle auf und ich prüfe nochmals den Kontostand meiner Kreditkarte. Das Geld ist immer noch nicht da. Ich rufe die Hotline der Bank an und stelle fest, dass ich Opi nicht den korrekten Verwendungszweck mitgeteilt habe, der meine Kreditkarte kennzeichnet und von fremden Absendern angegeben werden muss. Ich rufe Opi gleich auch noch an und gebe die korrekten Daten weiter. Opi will nochmals den gleichen Betrag senden, so dass wir mit vollem Tank und Magen nach Hause fahren können. Finn hat inzwischen den Grill aufgebaut. Mit benutzten Servietten und anderem Papier, das wir in unserem Müll finden, entzünden wir mühevoll die Grillkohle. Morgen müssen wir Grillanzünder kaufen.

Fr., 15. Juli 2022, Kängsön, Camping


Ich mache mir eine Dose Bier auf und wir grillen Nackensteaks und rösten Brotscheiben dazu. Die Aussicht auf die Bucht ist großartig, wir genießen den ruhigen Ort. Da es kein WLAN gibt und wir Datenvolumen sparen wollen, und es auch sonst nichts zu tun gibt, sitzen wir lange draußen, plaudern und haben einen sehr angenehmen Abend. Gegen 22 Uhr kommt ein PKW auf den Platz gefahren, die Dame erklärt uns, dass sie die Stellplatzgebühr von 200 SK oder 20 € einsammelt, unaufgefordert zeigt sie einen Ausweis der Kommune Kängsön vor. Es ist bis nach Mitternacht hell. Der Polarkreis ist nahe.

Fr., 15. Juli, Kängsön, Camping


Tag 8, Samstag

Sa., 16. Juli 2022, Kängsön - Kemijärvi


Wir sind vor 10 Uhr schon wieder unterwegs. Wir fahren zurück zur E4/E10. Die Autobahn führt uns nun nach Osten an der Nordküste der Ostsee entlang. DieStraße scheint sehr neu zu sein, gelegentlich rumpeln wir über kleine Stufen, wo unterschiedliche Phasen der Adphaltierung aneinander stoßen. Schon den ganzen Tag sehen wir immer US-Wagen aus den 1950ern und 60ern, die offenbar zu einem Treffen unterwegs sind. Tatsächlich ist die Straße ganz neu, kurz vor der Grenze kommen wir in die Bauphase der neuen Autobahn. Teilweise befinden sich die Brücken noch im Bau und wir werden auf kleine Landstraßen umgeleitet oder passieren die Flüsse auf Behelfsbrücken mit geschotterten Rampen. In den Vororten von Haparanda, der schwedischen Grenzstadt zu Finnland müssen wir die Autobahn verlassen und durch ein Wohngebiet fahren.


Kuz vor Mittag passieren wir einen Ikea-Markt, was in Schweden ein sicheres Zeichen ist, dass man nahe der schwedischen Grenze ist. Kurz danach sind wir im Stadtzentrum der Doppelstadt Haparanda/Tornio. Die Grenze befindet sich zwischen zwei Kreisverkehren.


Finnland                              nach oben


Sa., 16. Juli 2022, finnische Grenze


Wie schon zu Hause geplant, halten wir für Photos von Finn am Grenzschild zu ›seinem‹ Land.


Direkt hinter der Grenze fahren wir durch den finnischen Kreisverkehr und folgen weiter der E4 Richtung Rovaniemi am Polarkreis. Noch in Tornio führt die Straße dicht an der Ostsee entlang. Auf der Straße liegen viele tote Vögel, die offenbar mit Autos zusammengestoßen sind. Wir überqueren den Fluss Torne und sind nun auch geographisch in Finnland, in der Region Lappi, die den ganzen Norden Finnlands einnimmt. Östlich von Tornio stoppen wir in einem Gewerbegebiet, um zu tanken. Wir müssen die Preise nun nicht mehr umrechnen, da in Finnland anders als in Schweden der Euro Landeswährung ist. Aber auch in Finnland gibt es nur automatische Tankstellen. Der Kartenleser an der Zapfsäule erkennt meine Karte zuerst nicht, nach einigen Versuchen klappt das Tanken dann aber, volltanken können wir allerdings nicht. Nach wenigen Kilometern zweigen wir von der Autobahn auf die zweispurige Landstraße E75 Richtung Norden ab.

Sa., 16. Juli 2022, Lappland


Wir sind uns einig, dass dieser Teil Finnlands Schweden sehr ähnlich ist - aber noch schöner und mit besseren Straßen.


Auf der E75 halten wir nochmals an einer Tankstelle und Finn tankt mit seiner EC-Karte das Wohnmobil voll. Wir folgen dem Verlauf des Kemi nach Norden bis zur kleinen Stadt Rovaniemi, wo wir den Kemi überqueren und Richtung Nordost zum Polarkreis fahren. Hinter Rovaniemi sehen wir das erste Rentier am Straßenrand entlangtrotten.

Sa., 16. Juli 2022, Lappland


In der gesamten Region Lappi leben Rentiere wild, sind aber jeweils Eigentum bestimmter Familien.


Am Polarkreis gibt es einen großen Erlebnispark, der sich Weihnachtsmann-Dorf nennt. Ein richtiges Schild, das den Polarkreis markiert, finden wir allerdings trotz ausführlicher Suche nicht. Stattdessen sehen wir einen Wildpark für Wölfe. Wir fahren erstmal weiter und hoffen, dass der Polarkreis, wenn wir wieder Richtung Süden fahren, besser markiert ist.

Sa., 16. Juli 2022, Lappland, Landstraße nach Kemijärvi

Um 18 Uhr kommen wir am Campingplatz von Kemijärvi an. Der Platz liegt direkt am gleichnamigen großen See. Wir wählen unseren Platz nach WLAN-Abdeckung und enden in der Nähe der Rezeption, weil hier das WLAN am besten ist. Wir wollen heute wieder grillen, am Ortseingang von Kemijärvi  haben wir bei einem Lidl nochmal Nackensteaks gekauft - und Grillanzünder. Als wir ankommen, regnet es. Kurz vor 20 Uhr hört der Regen auf und Finn baut Stühle, Tisch und Grill neben dem Wohnmobil auf. Wir verbringen einen lustigen Abend draußen und verschicken einige Urlaubsgrüße per WhatsApp - dabei stelle ich fest, dass wir die Pipi-Langstrumpf-Postkarten zwar beschrieben und die Briefmarken aufgeklebt, aber nicht in Schweden in einen Briefkasten geworfen haben. Wr spielen noch einige Runden Rummy Cup, natürlich gewinnt Finn fast durchgehend.

Sa., 16. Juli 2022, See von Kemijärvi, Campingplatz


Tag 9, Sonntag

So., 17. Juli 2022, Kemijärvi - Naapurivaaran


Wir wachen früh auf, frühstücken und Finn geht duschen, danach  fahre ich das Womo zu den Waschhäusern, wo Finn den Abwassertank und das chemische Klo entleert. Frischwasser können wir hier nicht auffüllen. Kurz vor 11 Uhr sind wir wieder unterwegs.


Wir fahren in den Ort Kemijärvi und überqueren den Patojärvi-See auf einer langen flachen Brücke. Nach ein paar kleinen Vororten sind wir wieder auf der Landstraße E63 Richtung Südosten. Immer wieder laufen Rentiere am Straßenrand entlang. Nach rund 30 km passieren wir erneut den Polarkreis, diesmal gibt es eine deutliche Markierung.

Do., 17. Juli 2022, Polarkreis bei Tonkopuro


Wir biegen nach rechts in eine kleine Landstraße ein und parken das Wohnmobil, um Photos zu machen.

Do., 17. Juli 2022, Hymer am Polarkreis


Als wir zurück im Wohnmobil sind, kommt uns eine Familie Rentiere auf der kleinen Landstraße entgegen.

Do., 17. Juli 2022, Rentier-Familie am Polarkreis


Gegen Mittag sind wir wieder unterwegs. Alle paar Minuten warnen uns entgegenkommende Fahrzeuge mit der Lichthupe vor Rentieren auf oder an der Straße. Wir folgen dem Beispiel und warnen den Gegenverkehr ebenfalls vor Rentieren.

Do., 17. Juli 2022, Rentiere auf der Landstraße


Den ganzen Tag fahren wir durch eine hügelige Landschaft mit hunderten Seen, die wir gelegentlich auf flachen Brücken überqueren. Am Nachmittag passieren wir Ruka, ein Skiressort mit einer großen Skischanze.


Kurz darauf halten wir in Kuusamo für eine kleine Pause. Finn kauft für mich einen Kaffee und für sich eine Pizza. Er ist erstaunt und fast empört, dass es in Finnland überall ›Pizza Hawaii‹ gibt.


Nach acht Stunden Fahrt kommen wir endlich an unserem Tagesziel auf dem Campingplatz in Naapurivaaran an. Die Campingplatzbesitzerin empfängt uns barfuß in einem engen grünen, chinesisch anmutenden Kleid und erledigt die Formalitäten, zur Abwechslung funktioniert sogar mal meine Not-Kreditkarte. Das Rstaurant ist heute aber leider geschlossen, so dass wir nach dem 

Einchecken, sofort direkt weiter ins wenige Kilometer entfernte Vuokatti zu einem Supermarkt fahren. Seit gestern habe ich eine Bindehautentzündung, die den Tag über schlimmer geworden ist. Auf dem Rückweg von Lidl zum Campingplatz sehen wir eine Apotheke, die aber heute, am Sonntag, geschlossen ist. Morgen müssen wir hier nochmals her, um Augentropfen zu kaufen.

Do., 17. Juli 2022, Naapurivaara, Camping

Zurück am Campingplatz suchen wir uns einen schönen Platz unter den Bäumen, ich setzte mich neben das Wohnmobil, trinke mein Feierabendbier und rufe meine Frau Nina an, die uns nachmittags per WhatsApp geschrieben hat, das sie nach 27 Monaten Pandemie nun positiv auf das Coronavirus getestet wurde, sie hat aber nur sehr leichte Symptome und ist guter Dinge. Wir machen uns Abendessen. Hier direkt am Nuasjärvi-See gibt es zum ersten Mal sehr viele Mücken, so dass wir den ganzen Abend im Wohnmobil verbringen.


Tag 10., Montag

Mo., 18. Juli 2022, Naapurivaaran - Päihäniemi


Nach Kaffee und Cornflakes sind wir kurz nach 10 Uhr wieder unterwegs durch Karelien Richtung Süden. Unser heutiges Tagesziel ist der Naturstellplatz Päihäniemi auf der gleichnamigen Insel im Pulpinselkä-See im Süden Finnlands, der uns von einem Finnlandkenner empfohlen wurde, den mein Vater im Frühjahr zufällig bei einem Wochenendausflug an die Weser getroffen hatte.


Zunächst fahren wir aber erstmal erneut nach Vuokatti zur Apotheke. Der Apotheker würde mich lieber zu einem Augenarzt schicken, verkauft mir aber schließlich leicht antibakterielle Augentropfen, zumindest das Jucken und Brennen hört sofort auf. Jetzt fahren wir tanken. Finn tankt für 150 € mit seiner EC-Karte.


Wir verlassen den Ort und fahren auf eine große Landstraße, die wir aber schon nach wenigen Kilometern wieder zugunsten der kleinen Landstraße 899 verlassen. Nach ein paar Dutzend Kilometern biegen wir auf die E6 ein, die Finnland im Osten von Süd nach Nord durchquert.

Mo., 18. Juli 2022, Karelien


Der Osten Finnlands beeindruckt hauptsächlich durch das fehlen großer Attraktionen. Wir fahren den ganzen Tag durch Nadelwälder. Am Nachmittag fahren wir stundenlang am riesigen Pielinen-See entlang.


Die nicht enden wollende Landstraße zerrt an meinen Nerven, aber jedenfalls wirken die Augentropfen und die Bindehautentzündung wird besser.


Wir passieren Joensuu und etwas später fahren wir an der nur wenige Kilometer entfernten russischen Grenze entlang. Kurz darauf wird die Landstraße zur Autobahn. Vor Lappeenranta zweigt die E13/E18 nach St. Petersburg ab.

Mo., 18. Juli 2022, Abzweig nach St. Petersburg


Bis zum ›Winterkrieg‹ 1939/40 lag die finnisch-russische Grenze fast 200 km weiter südlich als heute, nur knapp nördlich des damaligen Leningrad. Die sowjetische Forderung, die Grenze weiter nach Norden zu verlegen, lehnte die nationalistische mit Deutschland verbündete finnische Regierung ab. Finnland unterdrückte die sozialistischen Parteien zu Hause, unterstützte die amti-sowjetischen Bestrebungen in Estland und organisierte Militärexpeditionen in den Osten Kareliens, der als Teil des Groß-Finnischen Reichs angesehen wurde, aber zur UdSSR gehörte. Das ehemalige russische Großfürstentum Finnland hatte sich erst 1917 nach der Revolution und Gründung der UdSSR zur unabhängigen Republik erklärt. Im Sommer 1939 hatte der Hitler-Stalin-Pakt der UdSSR für ‹territorial-politische Umgestaltungen‹ an ihrer Westgrenze freie Hand gewährt - und Deutschland an seiner Ostgrenze -, was zur sowjetischen Annexion von Estland und Lettland 1940 führte - und schließlich zum deutschen Angriff auf Polen und zum Zweiten Weltkrieg. Im November 1939 überrannte die Rote Armee die finnischen Stellungen auf der karelischen Landenge und eroberte schnell die finnische Großstadt Viipuri/Viborg, damit war der Weg zur finnischen Hauptstadt Helsinki frei. Erst nach erheblichen finnischen Verlusten und langen Verhandlungen wurde im März ein Frieden geschlossen, bei dem Finnland große Teile Kareliens östlich und westlich des Ladogasees und die Provinz Salla im Osten Lapplands an die Sowjetunion abtreten musste. Das Kriegsziel Stalins ganz Finnland in die Sowjetunion zu integrieren scheiterte jedoch.


Die Nähe Russlands ist auch auf den Straßen zu sehen, uns begegnen immer wieder PKW mit russischen Kennzeichen - meist SUV von Audi, BMW, Mercedes und Range Rover. Trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine ist die finnische Grenze diesen Sommer noch für russische Touristen geöffnet.


Wir verlassen die Autobahn am Abzweig nach Lappeenranta und finden einen Lidl-Supermarkt, wir kaufen Gorgonzola und Mascarpone für unser Abendessen.


Vom Lidl aus lassen wir uns von Google-Maps zu unserem Stellplatz leiten. Die Strecke führt über einige Brücken von Insel zu Insel.

Mo., 18. Juli 2022, Brücke zur Insel Hyöntiönsaari


Wir kommen an einem großen Holzlager vorbei, das zu einer Papierfabrik gehört. Das Holz wird offenbar per Schiff über die Seen angeliefert. Eine weitere Brücke führt uns zur Insel TUosa. Vor der nächsten Brücke biegen wir nach rechts in einen kleinen Weg ein. Wir kommen an einem Golfhotel vorbei und dann stehen rechts und links Wochenend- und Ferienhäuser. Nach einer weiteren kleinen Brücke sind wir auf unserer Zielinsel angekommen, es geht noch ein paar Kilometer weiter durch hügeligen Nadelwald bis wir einen geschotterten Rastplatz erreichen, von dem aus ein paar Feldwege zum Seeufer führen. Am Strand steht ein kleines Toilettenhäuschen und vier oder fünf andere Wohnmobile. Wir suchen uns einen Platz unter den Bäumen und erkunden die Umgebung zu Fuß.

Mo., 18. Juli 2022, Päihäniemenselkä-See


Während wir am See Photos machen kommen zwei Motorradfahrer an, die ein Zelt aufbauen. Die Leute aus den finnischen Wohnmobilen sitzen am See und trinken Bier.


Wir gehen zurück zum Hymer und bereiten unser Abendessen vor. Bei den Vorbereitungen stellen wir fest, dass unser Frischwasertank fast leer ist. Morgen sind wir in Helsinki und können dieses Problem lösen. Morgen sollte meine Kreditkarte eigentlich auch wieder funktionieren - und muss, denn Finns Girokonto haben wir heute fast erschöpft.


Ein paar Meter Hügel aufwärts neben dem Wohnmobil verlaufen inzwischen halb verschüttete Gräben parallel zum Seeufer, offenbar war der zugefrorene See im Winterkrieg 1939/40 die Frontlinie zwischen sowjetischen und finnischen Truppen.


Wir kochen uns Nudeln mit Gorgonzola-Sahne-Sauce und Speck, Mascarpone haben wir nachmittags im Supermarkt nicht gefunden. Schon Sahne zu kaufen, war schwierig, weil wir keine Ahnung hatten, was Sahne auf Finnisch heißt. ›kerma‹ ist für Mitteleuropäer nicht unmittelbar mit Sahne verknüpft.

Mo., 18. Juli 2022, Abendessen am Päihäniemenselkä-See


Nach dem Essen spielen wir unsere obligatorische Runde Rummy Cup und trinken noch einen Ouzo. An unserem einzigen fahrfreien Tag übermorgen in Helsinki muss ich die weiteren Strecken so umplanen, dass wir nicht mehr als 350 km pro Tag fahren. Die heutigen 460 km waren deutlich zu viel.


Tag 11., Dienstag

Di., 19. Juli 2022, Päihäniemi - Helsinki


Ich wache früh auf und mache mir Kaffee. Als der Kaffee fertig ist, wacht auch Finn auf. Er ist seine Cornflakes und wir machen uns auf den Weg. Auf dem Weg durch den Wald schaukelt das Wohnmobil so stark, dass sich eine der Geschirrschrankklappen öffnet und Bier- und Schnapsgläser auf den Boden spuckt. Finn räumt die Scherben weg und nach ein paar Minuten sind wir wieder auf Asphalt unterwegs. Wir genießen die Fahrt über die Inseln und Brücken zurück zur Autobahn.

Di., 19. Juli 2022, Lappeenranta


Anderthalb Stunden später verlassen wir die E6 und biegen auf die Autobahn E18 nach Helsinki ein. Der Campingplatz liegt auf der Halbinsel Rastila, nahe am Zentrum Helsinkis. Rund um den Campingplatz liegen ›Sozialbauten‹, die hier schön gebaut und mit bunten Fassaden versehen sind.

Di., 19. Juli 2022, Helsinki-Rastila


Ich hatte schon vor ein paar Tagen per Email auf dem Campingplatz für zwei Nächte reserviert. Wir kommen während der Mittagspause der Rezeption am Campingplatz an, und reihen das Wohnmobil in die lange Warteschlange vor dem Tor ein. Pünktlich 15 Uhr öffnet die Rezeption und die Schlange setzt sich in Bewegung. Die jungen Angestellten in der Rezeption sind sogar für finnische Verhältnisse außergewöhnlich nett und freundlich. Die Verständigung verläuft unproblematisch auf Englisch. Für zwei Nächte zahlen wir nur 60, statt der erwarteten 160 €. Nach dem Einchecken hat auch der Regen aufgehört und die Wolkendecke reißt auf. Wir suchen den uns zugeteilten schmalen Platz, schreiben unser Logbuch für heute und fahren nochmals los, um Essen für abends zu kaufen. Ich gönne mir eine Flasche Wein. Nach dem Einkaufen reservieren wir einen Zeitfenster für Waschmaschine und Wäschetrockner. Auf der Suche nach den Waschmaschinen schließe ich mich wegen eines technischen Defekts in einem Waschhaus ein. Die Türen öffnen sich von außen nur mit einer RFID-Chip-Karte und sollten von innen stets zu öffnen sein, diese nicht. Ich rufe Finn hat und bitte ihn, die Tür von außen zu öffnen, aber schon nach einer Minute kommt zufällig jemand der die Tür von außen öffnet.


Ich vergesse meine Kreditkarte in einer der  zu waschenden Hosen. Die Hitze des Wäschetrockners ›zerknautscht‹ die Karte etwas, sie sieht aber aus, als könnte sie noch funktionieren - wenn denn Geld auf dem Kartenkonto wäre. Noch am Nachmittag schreibe ich eine E-Mail an das Büro, wo ich seit letztem Sommer arbeite, und bitte um Überweisung eines Vorschusses auf mein Juligehalt, um unabhängig von der Kreditkarte wieder Mittel zur Verfügung zu haben.


Wir kochen, essen und ich trinke den Wein zum Essen, nach dem Essen wollen wir eigentlich einen Film gucken, spielen dann aber doch Rummy Cup. Morgen können wir ausschlafen, nachmittags wollen wir uns Helsinki angucken, sonst haben wir keine Pläne.


Tag 12, Mittwoch


Tatsächlich schlafen wir beide bis kurz vor 10 Uhr, wir frühstücken ausführlich und vertrödeln den Tag. Gegen 15 Uhr fahren wir bei strahlendem Sonnenschein ›in die Stadt‹. Helsinki erfüllt meine Erwartungen an eine moderne Metropole mit reicher Geschichte.

Di., 20. Juli 2022, Helsinki


Wir fahren am Yachthafen vorbei in die historische Altstadt. Ich habe vorher im Internet das Café Esplanad am Esplanadi-Park in der Innenstadt für Kaffee und ein Stück Kuchen ausgesucht.


Direkt vor dem Café ist ein großer Parkplatz frei, so groß, dass ich denke, das Wohnmobil vorwärts einparken zu können. Aber schon nach einigen Sekunden stoppt mich ein Knirschen von hinten rechts. Ich bin an einem nagelneuen Mini hängengeblieben. Ich hänge so fest am linken Kotflügel des Mini, dass ich nicht dezent wieder los komme, da hilft nur beherzt weiterfahren bis der Kontakt gelöst ist. Das erregt bei den Vorbeigehenden und den Gästen im Café natürlich Aufmerksamkeit. Wir parken ein paar Meter weiter in einer Ladezone auf dem breiten Gehweg und gehen in das Café. Wetter und Stimmung hier sind fast mediterran.

Di., 20. Juli 2022, Helsinki, Café Esplanad


Das Café hat Selbstbedienung, so dass es mal wieder an Finn ist, die Arbeit zu tun. Er holt mir einen Cappuccino und je ein Stück Schokoladenkuchen für uns. Finn versucht mit Bargeld zu bezahlen, was aber hinter dem Tresen so viel Verwirrung stiftet - den Schlüssel für die Bargeldkasse hat nur der Geschäftsführer, der gerade im Büro im ersten Stock ist -, dass er dann doch lieber mit seiner EC-Karte bezahlt. Am Nacbartisch stiehlt sich eine Möwe ein großes Tisch Rührei mit Brot von einem Teller. Die Möwen hier sind gegenüber Menschen völlig angstfrei und wissen, dass es hier leichte Beute gibt. Darauf weist sogar ein Schild am Eingang zum Café auf Finnisch und Englisch hin. Das Café übernimmt keine Haftung für auf der Terrasse von Möwen gestohlene Speisen oder Getränke. Das absichtliche Füttern der Tiere ist streng verboten.


Nach Kaffee und Kuchen gehen wir nochmals zu dem Mini, um ein Beweisphoto zu machen und nicht den Eindruck zu erwecken, wir wollten Unfallflucht begehen.

Di., 20. Juli 2022, Helsinki, beschädigter Mini vor dem Café Esplanad


Niemand spricht uns an und wir gehen zurück zum Wohmmobil, kurz bevor wir dort ankommen, laufen uns zwei Frauen rufend hinterher. Eine stellt sich als Besitzerin des Mini vor. Wir sagen, nur zu unserem Wohnmobil zu gehen, um Papier und Stift zu holen und eine Nachricht am beschädigten Wagen zu hinterlassen. Wir tauschen Namen und Kontaktdaten aus und ich verspreche, sofort die Versicherung zu informieren, sobald wir wieder zu Hause sind.


Auf dem Rückweg zum Campingplatz fahren wir noch zum alten Zentrum Helsinkis, dem Senatsplatz mit dem Dom von Helsinki, die Anfang des 19. Jahrhunderts nachdem Helsinki neue Hauptstadt des russischen Großfürstentums Finnland geworden war, angelegt wurden. In der Mitte des Platzes steht ein Denkmal für den 1881 ermordeten Zar Alexander II., Neffe des ersten Großherzogs von Finnland, Alexander I.


Und auf dem Senatsplatz spielt die Anfangsszene der finnischen Episode von Jim Jarmuschs ›Night On Earth‹ - allerdings in einer Winternacht, nicht an einem Sommernachmittag.


Wir fahren wieder am Yachthafen vorbei zurück nach Rastila, vor dem Campingplatz halten wir am Supermarkt, um Essen für heute Abend zu kaufen. Zurück auf unserem Platz logge ich mich bei meiner Bank ein, das Geld von Trinity ist bereits auf meinem Konto; wir sind also wieder flüssig. Während ich im Wohmobil vor meinem Laptop sitze, telefoniert Finn draußen - an seiner Art zu sprechen, erkenne ich, dass es seine Mutter ist. Das Ergebnis seiner Gesellenprüfung und der Termin für seine Nachprüfung sind per Post zu Hause angekommen. Finn wird also nicht ab 1. September Tischlergeselle sein und kann den Rest des Sommers nicht entspannen, sondern muss den August mit Lernen für seine theoretische Nachprüfung verbringen.


Ich bin traurig für Finn, dass seine Pläne nicht so aufgehen, wie von ihm erwartet, und er sich sogar in diesem so lange geplanten Urlaub mit der Arbeit zu Hause befassen muss. Aber ernsthafte Sorgen mache mir nicht. Er wird seine Ausbildung jetzt oder im Winter abschließen. Schon seine Schul-›Karriere‹ hatte immer wieder Schlaglöcher und Straßensperren, die er schließlich alle überwinden konnte - und sich klugerweise für den mittleren Schulabschluss und eine handwerkliche Berufsausbildung entschieden hatte. Am Ende ist es fast natürlich, dass das Hauptproblem seiner Ausbildung nicht die praktische Arbeit, sondern die Abschlussprüfung der Berufsschule war. Finn selbst nimmt die schlechte Nachricht gelassen auf und ist fast erleichtert, dass er jetzt nicht mehr auf das Ergebnis warten muss, sondern weiß, was ihn in den nächsten Wochen erwartet.


Wir kontrollieren noch den Motorölstand des Wohnmobils, wir müssen in den nächsten Tagen irgendwo Motoröl kaufe und mindestens einen halben Liter nachfüllen. Später bereiten wir unser Abendessen vor. Nach dem Essen spielen wir Rummy Cup und trinken Ouzo.


Tag 13, Donnerstag

Do., 21. Juli 2022, Rastila - Reposaari


Ich wache früh auf, mache mir Kaffee und als der Kaffee fertig ist, wacht auch Finn auf. Wir essen ein kleines Frühstück und packen zusammen. Finn wäscht unser gesammeltes Geschirr von zwei Tagen ab und kümmert sich hinterher um die chemische Toilette und die Ab- und Frischwasertanks. Um halb elf verlassen wir den Campingplatz Rastila und tanken das Wohmobil vor der Autobahnauffahrt voll - Motoröl gibt es nicht zu kaufen, ich bezahle problemlos mit meiner EC-Karte.


Wir haben gestern Nachmittag einen Natur-Campinplatz auf einer kleinen Insel vor der finnischen Ostseeküste ausgewählt. Wir fahren auf den Autobahnring, der Helsinkis Innenstadt umgibt und biegen in Espoo auf die Autobahn 2 Richtung Turku und Tampere ein.


Hinter Veikkola bleiben wir auf der Autobahn 2, statt auf die E18 nach Turku abzubiegen. Unser Weg führt uns durch das hügelige Westfinnland, wir passieren Nadelwälder und Wiesen. Die Gegend ist dichter besiedelt und wird intensiver landwirtschaftlich genutzt als Karelien. Außerdem scheint hier das Zentrum der finnischen Schweineproduktion zu sein. Nachdem die Autobahn in eine gut ausgebaute zweispurige Landstraße übergegangen ist, folgen wir immer wieder Schweinetransportern, die man eindeutig an ihrer ›Duft‹-wolke erkennen kann.


Nach Mittag muss ich irgendwo anhalten, weil mein Bein wehtut und ich mich etwas bewegen muss. Wir folgen einem Schild zu einem Parkplatz, der sich als Park-And-Ride-Parkplatz für den Überlandbus herausstellt. Es ist immer noch schönstes Sommerwetter, während ich ein paar Mal um das Wohnmobil herumwandere, macht Finn uns überbackene Käsesandwichs in der Pfanne. Wir beschließen, ab sofort morgens hartgekochte Eier als Lunch vorzubereiten.


Im letzten größeren Ort vor unserem Tagesziel, Pori, halten wir bei einem Lidl und kaufen Nackensteaks zum Grillen, im Eingangsbereich des Lidl ist ein ›Alko‹, ein zum Alkoholverkauf lizenzierter kleiner Laden. Wir kaufen eine Halbliter-Flasche Minttu, den finnischen Minzschnaps. Bei Lidl kaufen wir außerdem eine Packung ›Prinzenrolle‹, die hier allerdings ›Captain Rondo‹ heißt und deren Packung keinen Prinzen, sondern eine schöne, junge finnische Kapitänin zeigt.

Do., 21. Juli 2022, ›Captain Rondo‹


Beim genaueren Überprüfen der kommenden Route stellen wir fest, dass wir zum geplanten Campingplatz eine Fähre nehmen müssten. Das gefällt mir nicht und wir finden einen anderen Platz, auf einer Halninsel, die über eine Brücke mit Pori verbunden ist. Wenige Minuten hinter Pori sind wir an der Küste, offenbar werden hier Offshore-Windanlagen gebaut. Nicht nur, dass vor der Küste viele große Windgeneratoren in der Ostsee stehen, wir sehen auch immer wieder Schwertransport-LKW, mit Propellerflügeln und Turmteilen. Bei einer großen Industrieanlage überqueren wir den Eingang zu einer Bucht der Ostsee auf einer langen flachen Brücke, nach wenigen Minuten befinden wir uns auf der Halbinsel Reposari. Der Campingplatz liegt zwischen der Landstraße und der Küste, er ist mit ca. 20 € erstaunlich preiswert und wunderschön an der flachen felsigen Küste gelegen.

Do., 21. Juli 2022, Reposaari, ›Strand‹ am Siikaranta Camping


Wir besetzen den letzten freien Platz mit Stromanschluss in der Nähe der Küste und richten uns ein, danach gehen wir zum Meer und bewundern die Aussicht. Zurück am Hymer setze ich mich an den von Finn schon aufgestellten Tisch und trinke mein Feierabendbier. Der Campingplatz ist fast ausgebucht und bei uns kommen die Bewohner der weiter im Wald gelegenen Plätze auf dem Weg zu den Waschhäusern und dem Café an der Rezeption vorbei. Fast alle grüßen uns freundlich. Über das hier nur mäßige WLAN prüfe ich mein Kreditkartenkonto: Opis erste Geldsendung ist endlich angekommen. Ob die Karte allerdings trotz ›Dauerwelle‹ noch funktioniert, müssen wir noch herausfinden.

Do., 21. Juli 2022, Reposaari, Siikaranta Camping


Wir feuern die Kohle an und grillen die Nackensteaks, die wir in Pori gekauft hatten, dazu gibt es gegrillte Toastscheiben und hinterher müssen wir natürlich den Minttu probieren.


Finn verbringt den Großteil des Abends in der Nähe der Rezeption, weil da das WLAN besser funktioniert und er mit seiner Freundin über WhatsApp einen Videoanruf tätigt. Ich bleibe an unserem Tisch vor'm Wohnmobil, schreibe WhatsApp-Urlaubsgrüße und trinke Ouzo, um die kleine Flasche Minttu nicht schon am ersten Abend zu leeren.


Als es gegen Mitternacht dunkel wird, gehen wir schlafen.


Tag 14, Freitag

Fr., 22. Juli 2022, Reposaari - Björköby


Morgens koche ich mir Kaffee und nutze das überschüssige Wasser um Eier hart zu kochen, der Alarm für die Eier weckt dann auch Finn auf.


Um 11 Uhr verlassen wir den schönen Campingplatz und machen uns auf den Weg nach Vaasa, dem kulturellen Zentrum der großen schwedischsprachigen Minderheit in Finnland. In Vaasa ist ein Viertel der Bevölkerung schwedischsprachig. Der Vorteil für uns ist, dass in diesem Teil Finnlands auch die Straßenschilder zweisprachig sind und sich uns so das rätselhafte Finnisch ein bisschen erschließt. Zumindest die Finnischen Worte für Weg, Fluss, Brücke, Meer und Hafen kann ich mir so zusammenreimen. Unser Tagesziel ist ein ›Natur-Camping‹ auf einer Insel vor Vaasa.


Zunächst fahren wir auf dem Weg zurück, den wir gestern gekommen sind, vor der langen Brücke nach Pori biegen wir jedoch nach links ab und fahren auf kleiner Landstraße Richtung Valtatie 8 (Riksväg 8), die uns dann nach Norden führt. Wieder geht es vornehmlich durch Nadelwälder,  Wiesen und Äcker. Unsere Planung sieht heute nur etwas über 200 km vor.


Es ist den ganzen Tag über bedeckt, regnet aber nicht. Schon kurz nach Mittag kommen wir in Vaasa an, wir fahren in die Stadt auf der Suche nach einem Supermarkt.

Fr., 22. Juli 2022, Vaasa


Mit Hilfe von Google-Maps finden wir einen großen Supermarkt in einem Gewerbegebiet. Wir kaufen Grillwürste und zwei 6er-Träger finnisches Karuh-Bier und Finn kauft sich Kartoffelchips als Snack.


Vaasa war nicht nur lange das kulturelle und politische Zentrum des finnischen Teils des Königreichs Schweden, sondern ist bis heute ein wichtiges Industrie-und Verkehrszentrum Finnlands. Die Fähre von hier zum schwedischen Umeå ist offizieller Teil der Europastraße 12, die von der norwegischen Küste nach Helsinki führt.


Wenige Minuten nachdem wir Vaasa verlassen haben, fahren wir auf einem Damm zur kleinen Insel Fjärdskäret, auf der die Replotbron zur Insel Björkö beginnt.

Fr., 22. Juli 2022, Replotbron nach Björkö


Auf der Westseite der Brücke ist rechts ein kleiner Hafen mit einem Restaurant und großem Parkplatz. Sollten wir den geplanten Stellplatz nicht finden, merke ich mir ›Berny's Café‹ als Notlösung vor.


Wir fahren auf einer kleinen Landstraße in das Dorf Replot und folgen der Landstraße Richtung Björköby. Zwei Stichdämme, die mit einer kurzen Brücke verbunden sind, führen auf die nächste kleine Insel. Linkssehen wir ein Schild, das zu einem ›Camping‹ weist. Wir biegen ab und finden uns auf einem Parkplatz vor einem großen freistehenden Haus. Nach rechts zweigt ein kleiner Schotterweg ab, der zu zwei Ferienhütten führt, links zum Ufer hin sind Parkbuchten für Wohnmobile oder Wohnwagen angelegt. Ich parke den Hymer in einer der hinteren rückwärts ein. Wir gehen zu Fuß zurück dem Haupthaus, um uns anzumelden. Hier ist aber alles geschlossen. Auf dem Weg sieht Finn in der ersten der Parkbuchten einen Stromanschluss, wir parken das Wohnmobil um und der Stromanschluss funktioniert tatsächlich. Während wir uns einrichten, kommen bei einem der Ferienhäuser Gäste an, uns beachtet niemand auf unserem neuen Stellplatz.

Fr., 22. Juli 2022, Natur-Camping Meribjörkö


Finn baut Tisch und Stühle hinter dem Wohnmobil auf und wir bereiten den Grill vor. Es ist aber erst kurz nach 15 Uhr und wir wandern noch etwas in der Umgebung herum. das Haus am großen Parkplatz scheint eine Art Restaurant für Großveranstaltungen zu sein. Es gibt eine große Holzterrasse zum Meer hin, die heute aber völlig leer ist. Wir erwarten jederzeit jemanden, der - wie in Kängsön - die Übernachtungsgebühr abkassiert. Es kommt aber niemand.


Schließlich grillen wir dann doch früh, ich probiere das finnische ›Braunbär‹-Bier. Als wir mit Essen fertig sind, beginnt es leicht zu regnen. Wir setzen uns in's Wohmmobil, ich teile die 600 und 700 km Etappen der Rückfahrt durch's schwedische Inland auf, was problemlos aufgeht, ohne den Zeitplan durcheinander zu bringen. Dann trinken wir je noch einen Minttu. Ich gehe früh schlafen, Finn macht um Mitternacht noch Photos vom Sonnenuntergang.

Fr., 22. Juli 2022, Mitternacht in Meribjörkö


Tag 15, Samstag


Ich wache früh auf und es regnet noch immer, ich bereite vor, was ich alleine vorbereiten kann und koche mir Kaffee und unsere hart gekochten Eier für unterwegs. Wieder weckt der Alarm für die Eier dann auch Finn, wir packen zusammen und sind kurz nach 10 Uhr wieder unterwegs.

Sa., 23. Juli 2022, Meribjörkö - Nallikari


Wir fahren zurück auf die größere der beiden Inseln und über die Schrägseilbrücke auf Festland. In Grönvik biegen wir nach links auf eine kleine Landstraße Richtung E 8 ab. Nach knapp 30 km biegen wir auf die E 8 ein, die uns Richtung Nordost parallel zu Küste führt. Nach einer Stunde halten wir in einem kleinen Ort an einer Tankstelle, um mit meiner EC-Karte voll zu tanken, der kleine Tankstellenladen hat geschlossen, aber durch die Glastür sehen wir, dass sie Motoröl verkaufen - mit etwas Glück kann man also auch in Finnland an Tankstellen Öl kaufen.


Bis zum Nachmittag regnet es immer wieder malmehr, mal weniger. Ich bin ein bisschen beunruhigt, weil jetzt schon seit vielen hundert Kilometern mit einem halben Liter Motoröl zu wenig fahren. Alssich nachmittags die Sonne durchgesetzt hat ud links die Ostsee wieder in Sicht ist, sagt Finn, wir sollten nach einer Shell-Tankstelle Ausschau halten, dort würde es bestimmt Öl geben. Anderthalb Stunden vor unserem Tagesziel Oulu, sehen wir dann tatsächlich auf der linken Straßenseite die ersehnte große gelb-rote Muschel. Ich biege auf die Tankstelle ein, wir parken vor dem Tankstellen-Shop, den es hier ausnahmsweise mal gibt und der auch geöffnet ist. In einer Ecke versteckt entdecken wir das Regal mit den Ölen. 2-Takt-Öl für Kettensägen und Motorschlitten, Diverse Additive, um Diesel vor dem winterlichen Ausflocken zu schützen -und Motoröl für Dieselmotoren. Die Literflasche kostet 26,50 €, wir packen zwei ein und kaufen an der Kasse noch einen Milchkaffee und ein Eis. Ich bezahle kontaktlos mit meiner Kreditkarte, auf diese Weise funktioniert sie jedenfalls noch. Nachdem Finn sein Eis aufgegessen hat, füllen wir einen halben Liter Öl nach und fahren beruhigt weiter. Finns »Lass' mal bei Shell gucken« findet dann abends sogar Eingang in unser Logbuch.


Bei bestem Sommerwetter kommen wir kurz nach 16 Uhr in Oulu an. Wir buchen für 35 € einen Stellplatz. Der Campingplatz ist weitläufig mit großen Rasen-Stellplätzen zwischen Laubbäumen. Die Waschhäuser sind in hervorragendem Zustand. Wie schon auf jedem Platz, auf dem wir bisher in Finnland waren, hat jedes Duschhaus auch einen Saunabereich.

Sa., 23. Juli 2022, Nallikari Camping


Finn baut Tisch, Stühle und den Grill auf. Die Plätze links und rechts von uns sind frei, aber hinter uns in der nächsten Rehe steht ein Wohnmobil aus den Niederlanden, die Familie mit zwei Kindern sitzt vor dem Wohnmobil und spielt ein Spiel, dass die große Schwester offenbar regelmäßig gewinnt.


Wir feuern den Grill an und bereiten das Grillfleisch vor, das wir vorhin bei einem Lidl in Oulu gekauft haben.

Sa., 23. Juli 2022, Nallikari Camping


Wie schon heute Nachmittag auf der Landstraße, sind auch heute Abend auf dem Campingplatz relativ viele Norweger unterwegs. Wir grillen unser Fleisch und essen draußen. Nach dem Essen gehen wir aber in's Wohnmobil, weil es uns zu kalt wird.


Wir spielen noch ein paar Runden Rummy Cup, ich schreibe unser Logbuch und Finn guckt einen Film auf seinem Handy.


Tag 16, Sonntag


Ich wache früh auf und gehe duschen und rasiere mich, beim Duschen werfe ich den Hocker um, auf dem meine frisch gewaschenen Sachen liegen - alles ist klatschnass. Zurück beim Wohnmobil hänge ich alles über einen Stuhl und stelle ihn in die Sonne. Ich koche mir Kaffee und trinke ihn in der Sonne. Heute Nacht hat ein Waschbär oder eine Katze die Mülltüte, die vor dem niederländischen Wohnmobil stand, nach Essbarem durchsucht und den Müll gleichmäßig über deren Platz verteilt. Die Familie ist bereits dabei, alles wieder aufzuräumen. Als ich mir meinen zweiten Kaffee hole, ist auch Finn aufgewacht. Er macht sich eine Portion Cornflakes und wir frühstücken in der Sonne neben dem Wohnmobil. Heute geht es zurück nach Schweden, den Rückweg wollen wir durch das schwedische Inland nehmen.

So., 24. Juli 2022, Nallikari - Älvsbyn


Nach dem Frühstück packen wir zusammen und versuchen auf dem Campingplatz-Plan die Entsorgungsstation zu finden, wir reihen uns in die Warteschlange vor dem Abwasserentleerungsgully ein. Finn leert währenddessen das chemische Klo. Nachdem die Schmutzwassertanks leer sind, füllt Finn das Frischwasser auf. Um halb zwölf sind wir wieder unterwegs. In den Außenbezirken von Oulu halten wir an einer Tankstelle. Finn steckt meine zerknitterte Kreditkarte in den Tankautomaten, der meldet, dass die Karte nicht lesbar ist, Finn drückt auf den ›Abbrechen‹-Knopf, die Karte kommt aber einen Millimeter aus dem Kartenschacht heraus, er versucht sie mit den Fingern und schließlich sogar mit seinem Leatherman ganz heraus zu ziehen. Der Automat ist nicht begeistert von dem brutalen Vorgehen und versucht abwechselnd die Karte wieder einzuziehen und auszuwerfen. Ich sehe an der Zapfsäule sehr jklein gedruckt eine Service-Telefonnummer, die wir im schlimmsten Fall anrufen können. Nach ein paar Minuten rein und raus, entschließt sich der Kartenautomat die Karte vollständig auszuwerfen. Wir beschließen, das Tanken auf später zu verschieben.


Wir fahren parallel, aber außer Sichtweite der Küste nach Norden. Mitten auf der Landstraße müssen wir anhalten, weil die Polizei die Straße für einen entgegenkommenden Schwertransport gesperrt hat. Zwei große Sattelschlepper transportieren je einen Windgenerator-Propellerflügel Richtung Süden.


Zwanzig Kilometer vor der Grenze, in Kemi, wo der gleichnamige Fluss in die Ostsee mündet, finden wir eine Tankstelle, die zwar Tankautomaten hat, aber auch einen mit Menschen besetzten Shop. Wir halten und dieses Mal akzeptiert der Automat die Kreditkarte, wir tanken voll, allerdings nur 45 Liter, zur Zeit ist in Finnland Diesel mit 2,26 € deutlich billiger als in Schweden, also wollen wir so lange wie möglich finnischen Diesel benutzen.


Gleich hinter der Tankstelle überqueren wir den Kemi auf einer langen flachen Brücke. Kurz hinter der Brücke passieren wir den Abzweig zur E 75, wo wir auf der Hinfahrt Richtung Norden abgebogen sind. Unser finnische Kreis hat sich geschlossen. Am frühen Nachmittag fahren wir durch Tornio und kommen zurück nach Schweden, gleich hinter der Grenze ist rechts ein großer Ikea-Markt.

Schweden (2)                          nach oben


Die Bauarbeiten an der E 4 um Haparanda sind immer noch nicht abgeschlossen, wir fahren auf frisch asphaltierter vierspuriger Landstraße ohne Fahrbahnmarkierungen Richtung Südwesten. Um halb vier überqueren wir auf einer hohen Brücke den Luleälven und verlassen kurz darauf in Antnäs die E 4 und biegen auf den Riksväg 94 nach Westen ab.

So., 24. Juli 2022, Luleälven


Der Riksväg 94 führt uns durch Nadelwälder in die Berge des Norrbottens län.

So., 24. Juli 2022, Riksväg 94 Richtung Älvsbyn


Schon seit der schwedischen Grenze zieht sich die heutige Etappe nach meinem Gefühl unendlich in die Länge. Ich vermute, dass mir der regelmäßige Blick auf eine Straßenkarte und die Einordnung des aktuellen Standorts in die Tagesetappe fehlt. Bei meinen Motorradtouren hatte ich immer eine Straßenkarte vor mir auf dem Tankrucksack und wusste immer, wo ich mich gerade befand. Ohne diese Einordnung bleibt vom  Fahren nur das Fahren selbst und der Blick auf die Landschaft, ohne Einordnung in den bisher erreichten Fortschritt und die zukünftig noch zu fahrende Strecke, ist das Vorankommen nicht nachzuvollziehen. Für Morgen baue ich mir heute Abend ein detailliertes Roadbook in Excel, das mir zeigt, wo ich bin und was noch kommt.


Kurz nach 18 Uhr kommen wir in Älvsbyn an, Google führt uns zu unserem Campingplatz. Ein kleiner Platz hinter einer Einfamilienhaussiedlung mit Blick auf den Piteälven und einen gegenüberliegenden Steilhang.

So., 24. Juli 2022, Älvsbyn, Selholmens Camping


Die Rezeption ist in einem kleinen Holzhaus, an dessen Rückseite sich die Waschräume befinden. Der Besitzer ist ein älterer, sehr netter Herr, der uns wegen meiner Behinderung einen Platz in der Nähe zum Eingang der Wschräume zuweist. Auf Finns Frage nach dem WLAN-Zugang antwortet er lächelnd, das es kein WLAN gibt, aber dafür eine wunderbare Aussicht. Wir lachen beide und geben ihm recht. Vor allem der Steilhang am anderen Ufer des Pite hat es Finn angetan, er vermisst das Klettern.


Wir parken den Hymer auf dem angewiesen Platz neben einem Wohnmobil aus Norwegen mit einem älteren Paar, zwei Teenager-Kindern und einem großen schwarzen Schäferhund.


Finn schließt den Strom an und baut Tisch und Stühle auf, ich setze mich für mein Feierabendbier und genieße die Aussicht. Im Geist bin ich aber schon dabei, das Roadbook für Morgen in Excel zu bauen.


Wir bereiten unser Abendessen vor, hinterher lege ich die morgige Strecke in meinem neuen Roadbook an, für's erste nur mit Straßennummern, Abbiegepunkten, Himmelsrichtungen und Etappenentfernungen.

So., 24. Juli 2022, Älvsbyn, Roadbook für Mo., 25. Juli 2023


Morgen wird sich zeigen, ob diese Orientierungshilfe die Fahrt für mich angenehmer macht.


Tag 17, Montag

Mo., 25. Juli 2022, Älvsbyn - Dorotea


Nach Kaffee und Cornflakes sind wir um 10 Uhr wieder unterwegs. Der Campingplatzbesitzer winkt uns freundlich zum Abschied. Wir fahren durch die Einfamilienhaussiedlung zurück zur Hauptstraße. An einem Kreisverkehr in der Innenstadt halten wir, weil Finn dort einen Briefkasten entdeckt hat. Endlich gehen die Pipi-Langstrumpf-Postkarten, die wir seit fast zwei Wochen spazieren fahren, auf ihre eigentliche Reise.


Wir fahren den Riksväg 94 nach Westen weiter in die Berge. Schon heute Nacht hat es irgendwann angefangen zu regnen. Nach knapp 10 km könnten wir nach links in eine kleine Landstraße abbiegen, um nach Kilometern abzukürzen, aber zugleich mehr Zeit zu benötigen. Wir fahren also weiter auf der 94 durch dichte Nadelwälder, immer mal wieder blitzen Seen durch die Bäume. Wir lernen ein neues schwedisches Wort, das wir sofort in unseren Wortschatz aufnehmen,›stotä‹. Ein Warnhinweis auf Schlaglöcher und Bodenwellen. Wo alter und erneuerter Asphalt aneinander stoßen, befinden sich kleine Absätze, die das Wohnmobil durchschütteln. Wenn ich solche Absätze rechtzeitig sehe, rufe ich »Stotä!« und Finn hält das Macbook und die Bluetooth-Box vor ihm fest. Beim Weg in die Berge wird der Regen stärker. Wir fahren fast genauso schnell wie ein Überlandbus, den wir mehrfach an Haltestellen überholen, bis er uns dann nach fünf Minuten wieder überholt. Erst nach knapp 100 km vor Arvidsjaur verschwindet der Bus endgültig aus unserer Sicht. Wir biegen nach Südost auf den Riksväg 95 ab.


Ich bitte Finn, bei Google nachzusehen, was ›träsk‹ heißt, denn viele Ortschaften führen dieses Wort in ihrem Namen. Passend zu Landschaft und Wetter heißt ›träsk‹ Sumpf. Nach rund zwei Stunden Fahrt biegen wir bei Lappträsk nach Südwesten auf den länsväg 365 ab.

Mo., 25. Juli 2022, länsväg 365 Richtung Lycksele


Es regnet immer noch und die Straße ist in bescheidenem Zustand. Es gibt immer wieder Passagen mit tiefen Schlaglöchern, Wellen, die das Wohnmobil durchschaukeln, und Spurrinnen voller Regenwasser. Aber das Roadbook, das seit Mittag vor mir auf dem breiten Armaturenbrett steht, hilft mir den aktuellen Fortschritt zu beurteilen und erleichtert mir das Fahren ungemein - trotzdem baue ich im Kopf bereitsein paar Verbesserungen ein, die ich heute Abend umsetzen will.


Wir passieren ein großes Testgelände eines deutschen Reifenherstellers. Und gleich darauf eines von BMW. Vermutlich werden hier irgendwo auch die berühmten Elchtests durchgeführt, die 1997 die Markteinführung der Mercedes A-Klasse behindert haben. Wir passieren die Grenze zwischen norrbottenslän und västerbottenslän. Am Straßenrand sehen wir immer wieder Rentiere, anders als in Finnland, sind Ren hier tatsächlich Wildtiere.

Mo., 25. Juli 2022, Ren am länsväg 365


Vor Lycksele, wo der länsväg 365 die E 12 kreuzt, sehen wir wieder einmal viele alte US-Wagen, offenbar wieder ein Automobiltreffen. Und in Lycksele hört auch der Regen auf und die Wolken reißen auf. Die kleine, schöne Stadt könnte mit der tiefstehenden Sonne auch am Mittelmeer liegen. Wir kreuzen die E 12 und folgen weiter dem länsväg 365 Richtung Südwesten, bis dieser bei Älgsjö auf den Riksväg 92 einmündet.


Kurz vor 16 Uhr biegen wir auf die E 45 ein und erreichen kurz darauf unser heutiges Tagesziel Dorotea, in der Stadtmitte halten wir an  einem COOP, um unser Abendessen zu kaufen. Der Campingplatz befindet sich am Ortsausgang links der E 45.


Die Rezeption befindet sich zusammen mit dem Campingplatz-Restaurant in einem runden Holzbau, der offenbar einer samischen Jurte nachempfunden ist. Der ganze Raum ist erfüllt vom Duft gegrillten Fleischs. Wir buchen unseren Stellplatz für rd. 30 €. Schon als wir wieder draußen zum Wohnmobil gehen, haben wir beschlossen, heute zum ersten Mal auf unserer Reise im Restaurant zu essen. Wir suchen uns einen schönen Platz auf dem weitläufigen Gelände, Finn geht duschen und ich zurück zum Restaurant, um einen Tisch für uns zu reservieren, freie Tische gibt es nur bis 19 Uhr, so reserviere ich für halb sechs. Hinterher schreibe ich das heutige Logbuch. Um halb sechs stehen wir wieder im Restaurant. Der für uns reservierte Tisch hat zufällig die Nummer 13, Opis Lieblingszahl.

Mo., 25. Juli 2022, Dorotea, Doro Camp Restaurant


Wir studieren lange die Speisekarte, während wir bereits Bier und Orangenlimonade bestellt haben, mit den exotisch anmutenden Gerichten, insgesamt scheint das Restaurant für schwedische Verhältnisee sehr preiswert zu sein. Schließlich entscheide ich mich für etwas, das als Beefsteak übersetzt ist, Finn bestellt einen Hamburger mit Elchfleisch.


Das sogenannte Beefsteak sind dünne gegrillte Rindfleischsscheiben, die scheinbar direkt von einem Drehspieß geschnitten wurden, das Fleisch schmeckt hervorragend. Als Beilage gibt es kleine im ganzen gebratene Kartoffeln, gedünstetes Gemüse und einen Knoblauchdip. Finns Elchburger ist beeindruckend groß und sehr lecker.


Ich bestelle noch ein zweites Bier und wir gratulieren uns gegenseitig für die gute Entscheidung, heute im Restaurant zu essen. Nach dem Hauptgang bestellt sich Finn noch ein Sanddorneis, das ebenfalls sehr gut ist. Ich bestelle einen Whisky, der dem Namen nach in Schweden produziert wurde. Der Preis von Spirituosen wird hier je Zentiliter angegeben, 30 SEK, als ca. 1,50 € je cl ergibt 3 € für eine normale kleine Portion sehr guten Whiskys, das wäre sogar in Deutschland preiswert, für Schweden ist es skandalös billig. Insgesamt zahle ich am Ende gut 70 € für zwei Hauptgerichte, je zwei Getränke, eine Nachspeise und einen Whisky. Wir hatten sehr gutes Essen für einen guten Preis.


Weil wir schon so früh gegessen haben, wandern wir schon gegen 20 Uhr zurück zum Wohnmobil. Die Wege und Wiesen des Campingplatzes sind übersät mit kleinen schwarzen Fröschen, die keinen Zentimeter lang sind.

Mo., 25. Juli 2022, Dorotea, ›Doro-Frosch‹


Wie schon die Gäste im Restaurant, sind auch die meisten Wohnmobile um uns herum aus Norwegen. Das mittlere Schweden scheint ein beliebter Urlaubsort für norwegische Touristen zu sein. Und das, obwohl das typische schwedische Vorurteil in Norwegen eher das Land der ungebildeten Bauerntölpel sieht und viele Touristen das sicherlich auch zu spüren bekommen. Dass Norwegen Schweden wirtschaftlich schon lange überholt hat, hat das negative Bild Norwegens in Schweden dabei noch verstärkt. Norwegen ist nun aus schwedischer Sicht das Land der aus geologischem Zufall reich gewordenen Bauerntölpel.


Ich baue noch die tagsüber erfundenen Verbesserungen in mein Excel-Roadbook ein und trage die Strecke für morgen ein.


Tag 18, Dienstag

Di., 26. Juli 2022, Dorotea - Mora


Nach unserem üblichen kleinen Frühstück packen wir zusammen, als wir die letzten Sachen verstaut und den Stromanschluss gekappt haben, fängt es an zu regnen. Wir verlassen den freundlichen Campingplatz um 11 Uhr und biegen auf die E 45 Richtung Westen ein. Nach ein paar hndert Metern biegt die E 45 nach Süden ab.


Nach wenigen Kilometern passieren wir die historische Grenze zwischen dem ›wilden‹ Lappland im Norden und dem ›zivilisierten‹ Mittel-Schweden. Die E 45 folgt mehr oder weniger der Trasse der ›Inlandsbanan‹, die Anfang des 20.Jahrhunderts zur Erschließung des schwedischen Nordens und Ostens gebaut wurde. Heute dient die Bahnstrecke hauptsächlich dem Holztransport aus den Wäldern, durch die wir gestern gefahren sind, nach Süden. Trotzdem sind auf der E 45 viele LKW mit Baumstämmen unterwegs, zu Finns Erleichterung halte ich jeweils einen größeren Sicherheitsabstand, wir beide kennen Filmszenen in denen Baumstämme oder Stahlrohre aus Anhängern herausrutschen und nachfolgende Fahrzeuge durchbohren.


Es regnet inzwischen so heftig, dass sogar unser immer wieder benutzte Witz, das unser Wagen jetzt endlich mal richtig gewaschen wird, nicht mehr so richtig lustig ist. Die Straße hat tiefe Spurrinnen, die voller Wasser sind.

Di., 26. Juli 2022, Dauerregen im Jämtland


Mittags nach knapp 100 km erreichen wir Strömsund an einer Engstelle des Sees Ström Vattudal, dem Faxälven, über den eine schmale Schrägseilbrücke führt, die als erste ihrer Art auf der Welt gilt. Die Pylonen der Strömsundsbron werden  nach rund 70 Jahren gerade restauriert.

Di., 26. Juli 2022, Strömsundsbron


Wir folgen der E 45 weiter Richtung Südsüdwest durch den immer wieder einsetzenden Regen. Die Flache Landstraße führt an großen Seen vorbei. Kurz vor Östersund fahren wir  auf die als Autobahn ausgebaute E 14 / E 45, die dann allerdings nach einigen Kilometern wieder zur Landstraße wird und bei strömendem Regen den kleinen Ort Viken durchquert, wo wir die gemeinsame Trasse von E 14 und E 45 verlassen und wieder auf die ›originale‹ E 45 Richtung Südwest einbiegen. Immer noch treffen wir alle paar Minuten auf einen neuen großen See. Nachmittags erreichen wir Sveg, das zwischen zwei Staustufen des Ljusnan liegt. Wir überqueren den Fluß und fahren nun eine Weile Richtung Osten. Bis die E 45 wieder nach Süden schwenkt.


Das mit ein paar Details ergänzte Roadbook hilft mir die lange regnerische Tagesetappe gut gelaunt zu überstehen.

Di., 26. Juli 2022, E 45 vor Mora


Um fünf hört es auf zu regnen und um halb sechs ist der Akku des Macbooks leer und wir nähern uns endlich unserem Tagesziel Mora am Siljan-See. Kurz vor dem Campingplatz wird es sowieso wieder Zeit, die Routenplanung  Google Maps anzuvertrauen. An einer großen Bowlinghalle vorbei fahren wir zur Rezeption des Campingplatzes und buchen unseren Stellplatz für heute Nacht. Plätze mit Stromanschluss sind angeblich ausgebucht, aber offenbar Gästen, die länger als eine Nacht bleiben, vorbehalten. Wir bekommen also einen Platz auf einer großen Wiese Nahe von ›Servicehus 3‹ zugeteilt. Die Wiese besteht aus großen Pfützen, ich suche uns einen Weg und einen Platz, auf dem wir uns nicht festfahren und nicht über Nacht im Matsch versinken. Ich besichtige die Waschhäuser und gehe Pinkeln. Uns gegenüber steht bereits ein großes Wohnmobil aus Norwegen, dem sich im Laufe des Abends ein zweites zugesellt, die beiden norwegischen Paare schließen sofort Freundschaft, bauen Tische und Stühle auf und öffnen Bierdosen, aber sobald sie sitzen, beginnt der Regen wieder.


Abgesehen vom traurigen Wetter war die heutige Etappe deutlich zu lang geplant. Wir sind über 470 km Landstraße gefahren und haben dafür insgesamt fast acht Stunden benötigt. Zum Abendessen braten wir uns die Burgerpaddies, die wir gestern schon gekauft hatten und legen sie mit Käse und Ketchup zwischen geröstete Toastbrotscheiben. Wir sind so zufrieden mit unseren improvisierten Cheeseburgern, dass wir gleich eine zweite Runde zubereiten. Da wir keinen Wechselstrom haben, kann ich das Macbook nicht aufladen und beschließe, morgen mit Google Maps und meinem Smartphone zu navigieren, zum Ausgleich für den fehlenden Stromanschluss haben wir endlich mal wieder gut funktionierendes WLAN, das ich nutze um die Übernachtung für morgen in Duse Udde per Internet zu buchen, damit wir sicher wieder einen Platz mit Stromanschluss bekommen. Wir spielen noch ein paar Runden Rummy Cup und gehen schlafen.


Tag 19, Mittwoch


Es regnet die ganze Nacht. Als ich morgens zum Waschhaus gehe, hat der Regen aufgehört, aber es ist noch grau bewölkt. Vor dem einzigen Waschhaus für die Plätze ohne Stromanschluss wartet eine lange Schlange. Nach dem Duschen koche ich Kaffee und die Eier für unser Mittagessen. Ich telefoniere mit dem Campingplatz, an der schwedischen Westküste, den wir uns für Übermorgen ausgesucht haben und gehe auf die Webseiten ein paar anderer in der Nähe. In der Hauptsaison im Juli und August muss man mindestens 3 bis 7 Nächte buchen. Also sparen wir eine Übernachtung und sind jeweils einen Tag früher in Kopenhagen und Bad Münder. Die vorletzte Etappe wird dadurch etwas länger, aber da sind wir sowieso schon wieder auf Autobahnen mit höherer Durchschnittsgeschwindigkeit unterwegs. Auf dem Rückweg zur Rezeption wäscht Finn unser gesammeltes Geschirr ab und leert die chemische Toilette bei ›Servicehus 1‹, das wesentlich komfortabler ist als das für die stromlosen Stellplätze.

Mi., 27. Juli 2022, Mora - Duse Udde


Wir verlassen den Campingplatz erst um halb zwölf, aber inzwischen scheint die Sonne. Obwohl heute mein Telefon mit der Route in Google Maps vor mir auf dem Armaturenbrett steht, verpassen wir den Abzweig zur kürzeren Route über den Riksväg 26 und folgen der E 45 weiter Richtung Westen, in Malung geht die E 45 in die E 16 über, wir passieren die Grenze zur Provinz Värmland und biegen in  Värnäs auf den Riksväg 62 ab. Der Riksväg 62 folgt dem Klarälven, der in den großen Vänern-See mündet, an dem auch unser heutiges Tagesziel der Campinplatz Duse Udde liegt. In einem kleinen Ort am Klarälven halten wir mittags zum Tanken, diesmal nimmt der Tankautomat die  gewellte Kreditkarte ohne Probleme an und wirft sie auch hinterher wieder aus. Eine knappe Stunde später machen wir auf einem Feldweg am Ufer des Södra Hyn Sees eine kurze Rast.

Mi., 27. Juli 2022, Södra Hyn


Nur eine weitere Stunde später kommen wir  am Vänern, dem größten See Schwedens und der Europäischen Union, an. Wir biegen auf die Autobahn E 18 nach Westen ein. Die Straße folgt dem nördlichen Seeufer. Mehrfach passieren wir Zuflüsse und große Buchten des Sees.

Mi., 27. Juli 2022, Slottsbron am Vänern


Auf der Autobahn kommen wir schnell voran und sind um halb vier an der Verzweigung von E 45 und E 18, die nach Oslo führt. Wir folgen dem Westufer des Vänern auf der E45 nach Süden. In Säffle kaufen wir in einem Lidl Essen für heute Abend ein und fahren durch ein Gewerbegebiet zu einer sehr kleinen Landstraße, an einem Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert vorbei, zum Ende der Duse-Halbinsel und unserem Campingplatz. Die Straße ist so schmal, dass ich mich mehrfach in Google Maps vergewissere, dass die Straße wirklich zum Campingplatz Duse Udde führt. Unseren Platz habe ich gestern Abend bereits im Internet gebucht. Wir parken das Wohmobil neben der Rezeption, melden uns an und bezahlen den Platz für eine Nacht. Nach einigem Suchen finden wir den uns zugewiesenen Stellplatz am Ende einer Doppelreihe von Wohnmobilen direkt über der Wiese die am Seeufer liegt.

Mi., 27. Juli 2022, Duse Udde Campingplatz am Vänern


Während wir uns einrichten parkt hinter uns ein Paar in einem Wohnmobil aus Deutschland ein und blockiert unseren Rangierplatz, um morgen früh hier wieder 'rauszukommen, mit ihrem Vordach.

Darum werde ich mich später kümmern, jetzt setze ich mich erstmal neben das Wohnmobil, trinke mein Feierabendbier und genieße die Aussicht auf den See. Das Värmland, in dem wir seit dem Vormittag sind, ist ähnlich zu unserem ersten Tag in Schweden eine hügelige grüne Landschschaft, die man am besten als ›lieblich‹ bezeichnen könnte, vor allem, wenn man aus der eher rauen Landschaft des Nordens kommt. Die Navigation mit dem Smartphone hat heute hervorragend funktioniert, obwohl ich gleich morgens einen Abzweig verpasst habe.

Mi., 27. Juli 2022, Duse Udde Campingplatz am Vänern


Wir haben wieder einen Stromanschluss und laden MacBook und Telefone auf. Abends essen wir mal wieder Nudeln mit Gorgonzola-Sauce. Nach dem Essen frage ich die Deutschen hinter uns, ob sie morgen gegen 9 schon wach, bzw. überhaupt noch da sind, weil sie ihr Vordach einrollen müssen, damit wir aus unserem Platz wieder heraus kommen. Das Paar ist sehr freundlich und sagt, dass das gar kein Problem sei. Sie verstehen mich aber falsch und fangen sofort an, ihr Zeug aus dem Weg zu räumen. Nach einigem Hinundher verstehen sie und bauen den Tisch für ihr Abendessen wieder auf.


Finn und ich spielen noch ein paar Runden Rummy Cup und trinken  ein bisschen Ouzo. Wir gehen früh schlafen, morgen werden wir Schweden verlassen und abends wieder in Kopenhagen ankommen. Der Urlaub nähert sich seinem Ende.


Tag 20, Donnerstag


Als wir morgens vom Duschen zurückkommen, hat das deutsche Paar hinter uns den Rangierplatz schon freigeräumt, so dass ich das Wohnmobil mit Finn als Einweiser mit zwei Schlägen zurück auf den schmalen Weg zwischen den Wohnmobilen bringen kann. Wir verabschieden uns und halten auf dem Rückweg am großen Waschhaus nahe der Rezeption, Finn wäscht ab und leer die Abwassertanks. Um halb zehn sind wir wieder auf der schmalen Landstraße zurück nach Säffle.

Do., 28. Juli 2022, Duse Udde - Kopenhagen


Kurz vor der Kreuzung mit der E 45 halten wir für einen Moment, wel sich die Einstiegstreppe mal wieder los geruckelt hat und ich meinen Sitz richtig einstellen muss.


Wir folgen der Autobahn E45 dem Westufer des Vänern folgend nach Südwest. Nach einer guten Stunde überqueren wir den Göta älv, dem wir bis Göteborg flussabwärts folgen werden.

Do., 28. Juli 2022, Göta älv bei Ladugården


Die Autobahn bringt uns dem tief in die Landschaft eingeschnittenen Fluss folgend zügig nach Süden, kurz vor Göteborg sehen wir immer wieder große Brücken den Göta älv überqueren.

Do., 28. Juli 2022, Klappbrücke über den Göta älv vor Göteborg


Eine Reihe von Autobahnkreuzen und -brücken führt uns durch Göteborg, Schwedens zweitgrößte Stadt. Von hier aus ist es nach Oslo nur noch so weit wie nach Kopenhagen, und ich beschließe, nächsten Sommer mit meiner Frau Nina mit dem Auto nach Oslo zu fahren - statt für ein verlängertes Wochenende zu fliegen. Oslo und die norwegischen Fjorde sind für die geborene Brasilianierin schon seit Jahren ein Traumziel.


Am frühen Nachmittag sehen wir nach langer Zeit mal wieder rechts das Meer glitzern. Da wir den Zwischenstopp an der gotländischen Westküste eingespart haben, stehen heute fast 500 km auf dem Routenplan, allerdings fast alles auf Autobahnen. Wir folgen der Küstenlinie nach Süden. Die Landschaft erinnert mich an den Südwesten Frankreichs, allerdings mit deutlich geringerer Temperatur. Mittags halten wir an einer Raststätte für Cheeseburger, Pommes, Kaffee und Eis bei Burger King. Danach treiben wir wieder entspannt mit knapp 100 km/h nach Süden. Wieder bin ich erstaunt, wie gelassen der Autobahnverkehr n Schweden vonstatten geht. Da praktisch niemand schneller als dieerlaubten 110 km/h fährt, können wir langsamere LKW problemlos und stessfrei überholen. Vor Malmö sehen wir rechts am Horizont die flache Silhouette des dänischen Sjæland hinter dem Meer. Gegen 16 Uhr erreichen wir Malmö und kurz darauf die östliche Rampe zur Øresundsbron.

Do., 28. Juli 2022, Øresundsbron, Ostrampe


Dank kontaktlosem Bezahlen mit Kreditkarte sind wir schnell an der Mautstation vorbei. Ab dem Mittelstück, der Schrägseilbrücke, ist am Horizont bereits die Skyline von Kopenhagen zu sehen.

Do., 28. Juli 2022, Øresundsbron, Richtung Kopenhagen


Nach dem flachen östlichen Teilstück der Øresundsbron schluckt uns wieder der Tunnel, der das Stadtzentrum Kopenhagen unterquert, und spuckt uns an der Ausfahrt nach Dragør wieder aus. Heute werden wir den Campingplatz rechtzeitig erreichen, wollen aber trotzdem die preiswerte Durchreise-Übernachtung wählen. Vor dem Campingplatz fahren wir wieder zu der Tankstelle in Dragør, die wir schon von der Hinfahrt kennen und tanken das Wohnmobil mit Diesel für umgerechnet nur knapp über 2 €/l voll. Im Netto-Markt, neben der Tankstelle kaufen wir unser Abendessen ein.


Um zwanzig vor 6 sind wir am Campingplatz. Die Rezeption ist geöffnet und ich versuche einen Platz für 180 DK (ca. 20 €) im ›Spät-Check-In‹ zu buchen. Das ist aber erst nach 18 Uhr möglich. Immerhin wissen wir jetzt, wie wir nach 18 Uhr auf den Campingplatz kommen. Vor der Rezeption hängt eine kleine Box, in dem Zettel mit dem Schranken-Code für den Parkplatz vor dem eigentlichen Campingplatz liegen. Mit dem Code kommen wir auf den Parkplatz, der ein eigenes spartanisches Toilettenhäuschen hat und auf dem außer uns heute nur alte LKW und ausgemusterte Wohnwagen stehen.

Do., 28. Juli 2022, Kopenhagen, Spätübernachtungsplatz in Dragør


Wir parken den Hymer nahe der  Rezeption vor einem Sromanschluss. Ich trinke mein Feierabendbier neben dem Wohmmobil, gegen 20 Uhr machen wir uns unser letztes Wohnmobil-Abendessen dieser Reise. Hinterher sagen wir Opi Bescheid, dass wir morgen Abend wieder in Bad Münder sind.


Tag 21, Freitag


Ich wache vor Finn auf und koche mir Kaffee. Nach Kaffee und Cornflakes packen wir zusammen und leeren ein letztes Mal die Abwassertanks. Wir schaffen es, knapp vor 10 Uhr auszuchecken. Wir bezahlen mit unserem letzten dänischen Bargeld von der Hinfahrt, die Dame an der Rezeption reagiert ein bisschen Beleidigt, weil sich ein schwedischer Schein, zwischen das dänische Geld gemischt hat. Eine schwedische Krone ist nur etwa halb soviel wert, wie eine dänische.


Um zehn Uhr sind wir unterwegs zur Autobahnauffahrt in Kopenhagen.

Do., 28. Juli 2022, Kopenhagen - Bad Münder


Obwohl die Autobahn für unsere Verhältnisse relativ voll ist, kommen wir zügig Richtung Westen durch Sjæland voran. Kurz vor der Storebæltsbroen halten wir an einem Macdonalds für ein kleines Mittagessen. und einen Kaffee. Vom Parkplatz aus, kann man die große Brückenkonstruktion bereits sehen. Nach dem Essen fahren wir zur Mautstation an der östlichen Brückenrampe, in der Spur neben uns steht ein Ford Mustang Cabrio aus den 60er Jahren mit hamburger Kennzeichen.

Do., 28. Juli 2022, Storebæltsbroen


Kurz nach 13 Uhr sind wir wieder auf dem mitteleuropäischen Festland. Vor Kolding, wo wir nach Süden abbiegen, stehen wir zum ersten Mal seit Wochen in einem Stau. Hinter Kolding geht es dann aber wieder normal zur deutschen Grenze weiter. Die Grenze passieren wir fast unbemerkt. Um halb zwei überqueren wir den Nord-Ostsee-Kanal.

Do., 28. Juli 2022, Rader Hochbrücke


Hinter Rendsburg verlassen wir die Autobahn, um zu tanken. Die Tankstelle ist aber so voll, dass wir beschließen, eine andere Tankstelle in der Nähe anzusteuern. Inzwischen ist Diesel in Deutschland zwar immer noch unerhört teuer, aber mit 1,86 €/l billiger als in den nordischen Ländern. Wir tanken voll und fahren zurück zur Autobahn.


Die Stimmung auf der Autobahn ist wieder gut deutsch: angespannt und drängelnd. Um kurz vor fünf warnt Google Maps uns vor einem Stau im Elbtunnel und empfiehlt, die Autobahn zu verlassen. Ich erwarte, dass Google uns zu den östlich der Innenstadt gelegenen Elbbrücken der A 1 führt, stattdessen werden wir durch kleine Wohnstraßen parallel zum Elbtunnel nach Süden geführt und fahren kurz vor dem Fluss wieder auf die A 7 in den Tunnel. Es geht langsam, aber flüssig voran. Hinter dem Tunnel in Waltershof wird die Fahrbahn erneuert und es geht nur noch stockend weiter. Am Dreieck Buchholz werden wir beim Überholen eines LKW von hinten hektisch angelinkt, als ich zurück auf die rechte Spur fahren will, rauscht ein BMW-SUV hupend rechts an uns vorbei. ›Willkommen zurück in Deutschland!‹


Um halb sieben sind wir am Dreieck Walsrode, als ehemaliger Hannoveraner für mich eine wichtige Wegmarke zwischen Hamburg und Hannover.  Kurz vor Bad Münder ist die Gegenfahrbahn wegen eines Unfalls in einer Baustelle gesperrt, der Stau in die Gegenrichtung ist eine Dutzend Kilometer lang. Um halb acht kommen wir vor Opis Haus in Bad Münder an.


Wir parken das Wohnmobil vor dem Haus. Opis nimmt unseren kleinen Parkrempler in Helsinki gelassen. Am Hymer ist kein Schaden sichtbar und die Haftpflichtversicherung will er sowieso zum Jahreswechsel auf einen alten ruhenden Vertrag wechseln. Nach einer kurzen hetzlichen Begrüßung laden Opi uns Gisela uns in ein Gartenrewstaurant in der Nähe ein. Die heutigen 660 km  Autobahn in einem Wohmmobil stecken mir in den Knochen und ich freue mich, die restlichen 300 km in einem kleinen PKW zurücklegen zu können. Nach dem Essen, sitzen wir noch ein bisschen in Opis Wohnzimmer, spielen Rummy Cup und trinken den letzten Rest Minttu aus Finnland. Natürlich erzählen wir die ganze eit von unserer Reise.


Tag 22, Samstag


Wir haben ein letztes Mal im Wohnmobil geschlafen, Finn geht um halb neun mit Opi Brötchen kaufen, um 9 gibt es das übliche reichhaltige Frühstück. Ich habe nicht gut geschlafen und mein Nacken tut weh. Der Nacken wird beim Frühstück nicht besser. Ich weiß nicht, wie ich den Weg zurück nach Berlin schaffen soll, wenn ich den Kopf nicht richtig bewegen kann. Gisela findet in ihrer Hausapotheke ein starkes Muskelrelaxans, das ich nach Rücksprache per WhatsApp mit meiner Physiotherapeutin einnehme, den größten Teil des Vormittags, während Finn und Opi das Wohnmobil aus- und aufräumen, liege ich auf dem Bett und versuche mich zu entspannen. Kurz nach Mittag fahren wir dann los, zunächst nach Hameln, um auf Rat meiner Physiotherapeutin ein Wärmepflaster zu kaufen. Mit em Pflaster auf dem Nacken und einem als Schal herumgewickelten T-Shirt kann die Fahrt nach Hause losgehen. Wir umgehen die Baustelle auf der A 2, indem wir Hannover südlich umfahren.


Bis Berlin ist die Autobahn dann frei und wir kommen am frühen Abend an. Geraten aber in der Stadt in diverse Sperrungen wegen des gerade stattfindenden Halbmarathons. Auf kleinen Straßen finden wir einen ›Hintereingang‹ in die Straße, wo Finn mit seiner Mutter und Schwester wohnt.


Ichbbin kurz darauf auch zu Hause. Meine Frau sitzt auf dem Balkon. Ich setze mich dazu, rauche meine erste Zigarette seit drei Wochen und erzähle von der Reise.